0841 - Der gläserne Tod
Millings war damals unter primitiven Bedingungen gereist, war Monate lang unterwegs gewesen.
In Nepal angekommen, muss ich nicht einmal Fragen stellen. Ich spüre sofort die starken magischen Ströme, die von einer speziellen Region am südlichen Abhang des Dhaulagiri ausgehen. Ich versetze mich dorthin, stehe vor einer massiven Felswand.
Genau hier bin ich gewesen, erinnert sich Andrew Millings. So nahe am Ziel, und doch unendlich weit entfernt.
Hinter diesen scheinbar undurchdringlichen Felsmassen befindet sich eine Enklave der schwarzen Magie. Abgrundtiefe Bosheit lauert dort. Die Menschen meiden diese Gegend, sprechen von Naturgeistern und der-Reinkarnation einer bösen Göttin, die hier immer wieder erscheint. »Ihre acht Arme führen sieben tödliche Schwerter«, sagen sie. »Sie kommt aus dem Herzen der Heimstatt des Schnees. Wer ihr begegnet, ist des Todes.«
Ich weiß, dass es sich dabei um Aberglaube handelt. Hier liegt eine der geheimsten schwarzmagischen Bibliotheken der Welt. Ich erkenne den Weg, der hineinführt. Man kann ihn nicht mit den Füßen gehen, sondern nur mit Hilfe von Magie.
Ich fädele mich in einen Kraftstrom und bin von einer Sekunde auf die andere von unendlichen Regalreihen umgeben.
Dicke Folianten überall. Der Tod kriecht aus ihnen hervor und will mich ergreifen. Ich flüstere ein einziges mächtiges Wort, und alle Angriffe auf meine Seele enden. Ein Raunen und Ächzen geht durch die Reihen, das niemand ausgestoßen haben kann außer den Büchern selbst.
Kaum verhallt dieser dumpfe Ton, steht ein Priester der Schwarzen Magie vor mir. Das Gesicht ist unter einer langen Kutte verborgen, die den hageren, hoch gewachsenen Körper umhüllt. »Du bist eine erstaunliche Kreatur«, sagt er. »Zum ersten Mal seit über vierzig Jahren findet jemand den Weg hierher. Der letzte Besucher brachte Tod und Zerstörung. { f : HC14 } Was willst du, Fremder?«
»Ich benötige die Bestände der Bibliothek zur Recherche.«
Der Priester wirft mir einen abschätzigen Blick zu. »Die Magie, die dir innewohnt, ist nicht schwarz. Du bist kein Dämon der Hölle. Wieso sollte ich dir behilflich sein und dich nicht auf der Stelle vernichten?«
»Ich bin nicht dein Feind. Denn ebenso wenig wie meine Magie schwarz ist, ist sie weiß.«
»Sie ist nichts, das ich jemals zuvor wahrgenommen habe. Was bist du, Fremder? Wo kommst du her?«
Statt einer Antwort drehe ich mich um und wende mich einer Reihe von Büchern zu. »Du hütest große Schätze, Priester. Was würde geschehen, wenn ich sie alle zerstöre? Was würden die, die über dir stehen, dazu sagen?«
Aus meinen Fingern jagt ein blau pulsierendes Etwas, zuckt auf einen der Folianten zu und umhüllt ihn. Ein grässlicher Schrei ertönt, eine dunkle Wolke sickert aus dem uralten Buch, formiert sich zu einer dämonischen Fratze. Blutunterlaufene Augen starren mich an, das Maul öffnet sich, nadelspitze Zähne kommen zum Vorschein. Ich jage einen weiteren Kraftstrom in die Wolkenfratze. Sie löst sich in wabernden Nebel auf. Gleichzeitig kriecht etwas in den Folianten zurück.
»Ich habe den Dämon des Buches am Leben gelassen«, sage ich kühl. »In wenigen Jahren wird er zu alter Stärke zurückfinden. Ich habe kein Interesse daran, hier irgendetwas zu zerstören. Aber ich werde es tun, wenn es sein muss.«
Der schwarze Priester dreht sich kommentarlos um. »Suche, was immer du möchtest. Aber entferne nichts von hier. Selbst dir würde das nicht gut bekommen.« Dann geht er,; verschwindet hinter den unendlichen Regalreihen und verrichtet seine Arbeit, worin auch immer sie bestehen mag.
Ich überfliege die Buchtitel, erkenne rasch die Systematik, nach der die Bücher geordnet sind. Ich muss einen Teil der Bibliothek suchen, der ältere Manuskripte beherbergt. Auf meinem Weg dorthin höre ich immer wieder wispernde Stimmen. Komm, locken sie mich. Lies mich… lies mich und entdecke die Essenz alles Wissens… lies mich und erfahre Macht…
Es fällt mir nicht schwer zu widerstehen. Wer diese Werke ungeschützt liest, erlangt weder Wissen noch Macht, sondern bleibt als leere, seelenlose Hülle zurück. Zwischen diesen Zeilen lauert etwas Schlimmeres als der bloße Tod.
Ich gelange in eine riesige Halle, in der steinerne Fragmente lagern, haushohe Monolithen aus schwarzem, völlig ebenmäßigem Marmor. Sie stammen aus einer Zeit, die älter ist als jede bekannte Zivilisation.
Das Langka spricht zu mir. Hier bin ich richtig. Ich habe mein Ziel
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