0846 - Flucht aus Tilasim

Titel: 0846 - Flucht aus Tilasim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Montillon

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Seele schrie in gepeinigter Agonie, sah sich auf die Art und Weise um, wie sich nur Seelen umsehen konnten, und versuchte zu begreifen, was geschehen war.
    Das erlöschende Bewusstsein des Zwitters - oder war er längst erloschen und gezwungen, auf ewig in diesem zeitlosen Moment der Qual und Pein zu verharren? - wusste, was Gerrets Seele empfand. Eben war sie noch gefangen gewesen in der Hölle der Unsterblichen, gepeinigt von schwarzmagischen, verderbten Kraftströmen, und jetzt war sie hier und begriff nicht, was dieses Hier war, war wohl nicht einmal fähig zu verstehen, dass sie die Hölle der Unsterblichen tatsächlich verlassen hatte, weil ein verrücktes Schicksal es vorherbestimmt hatte.
    Aber Andrew Millings' Körper hatte nicht nur Gerrets Seele geboren oder ausgespuckt, weil sie in dieser Vergangenheit nicht Teil seines Leibes war, sondern noch etwas anderes.
    Ein Ding. Ein lebendes Etwas, obwohl es aussah, als wäre es tot. Das Ding quoll aus seiner Brust hervor und lag plötzlich zwischen Millings und Gerret auf dem Boden. Es sah aus wie ein kleiner Spazierstock, die Oberfläche metallen.
    Das Langka.
    Ein Teil meiner Selbst , dachte der Zwitter. Eines Selbst, das nicht mehr existierte. Und dann, endlich, existierte es wirklich nicht mehr.
    ***
    Zamorras spürte nichts, als er den Übergang in die andere Zeitebene vollzog. Sein erster Blick huschte besorgt zu Nicole - ihr schien es ebenfalls gut zu gehen. Merklich erleichtert betrachtete er seine anderen Begleiter.
    Bei Sid Amos war, wie nicht anders zu erwarten, alles in Ordnung. Bei Sharita offenbar ebenfalls. Aber der Zwitter stieß einen erstickten Laut aus.
    Zamorras Augen weiteten sich verblüfft.
    Nicht nur, dass der Zwitter zusammenbrach - irgendetwas ging in ihm vor. Er wirkte seltsam durchscheinend, als zerfasere sein Körper wie dünner Nebel in der Morgensonne. Seine Konturen verschwammen, für einen Augenblick war durch die Haut die Muskulatur zu sehen, das durch die Adern pulsierende Blut, die bleichen Knochen.
    Etwas schob sich aus dem Körper heraus. Er verdoppelte sich, als bilde der Zwitter einen Ätherkörper aus, ein Duplikat aus energetischem Plasma, um an zwei Orten gleichzeitig existieren zu können.
    Der Eindruck verging ebenso rasch, wie er entstanden war. Das Entstandene besaß keine Ähnlichkeit mit Andrew Millings' Körper.
    Ehe Zamorra die ganze Tragweite des Geschehnisses erfasste, quoll ein zweites Mal etwas aus dem Leib des Zwitters. Wieder verwischten die Konturen, löste sich die Realität der physikalischen Gesetze für einen kurzen Augenblick auf.
    Schließlich war es zu Ende, und der Meister des Übersinnlichen ahnte, was geschehen war. »Der Zwitter hat sich geteilt.«
    Sid Amos stimmte zu. »Er ist in seine Bestandteile zerfallen.« In seiner Stimme spiegelte sich Unglauben. »Selbst ich habe so etwas noch nie gesehen.«
    Vor den fassungslosen Augen der kleinen Schar befanden sich drei Existenzen, wie sie unterschiedlicher nicht sein konnten.
    Ein Mensch, der dem Äußeren nach genau dem Zwitter entsprach - wenn es in Wirklichkeit auch genau andersherum war. Dieser Körper, der sich zitternd erhob, beherbergte niemand anderen als Andrew Millings - und keinen außer ihm.
    Ein diffuses Etwas, das sich verfestigte, die einzige Gestalt annahm, die es jenseits der Hölle der Unsterblichen jemals innegehabt hatte. Torre Gerrets Seele wurde wieder Mensch, zumindest dem Augenschein nach.
    Und ein Gegenstand, der einem Spazierstock aus Metall glich. Impulse gingen davon aus, die Zamorra nicht zuordnen konnte.
    Zuerst starrte er den neu entstandenen Menschenleib an. Es war ein unfassbares Erlebnis, den alten Widersacher und Feind, der ihm so lange das Leben schwer gemacht hatte, mit eigenen Augen wiederzusehen.
    Torre Gerret… Einst war er zusammen mit Zamorra vom Erbfolger zur Quelle des Lebens geführt worden. Zamorra hatte ihn töten sollen, weigerte sich aber [5] und brachte damit eine unheilvolle Ereigniskette in Gang, die bis heute kein Ende fand.
    »Er ist es«, hauchte Nicole. »Wir befinden uns in einer Zeit, in der Gerret noch gelebt hat, und Andrew natürlich auch, obwohl wir ihn nicht kannten.«
    Sid Amos widersprach. »Ich vermag die magische Natur der Vorgänge, die hier abgelaufen sind und zur Trennung geführt haben, nicht bis ins Letzte zu durchschauen, aber ich glaube, wir halten uns in einer Zeit auf, in der Gerrets Seele in der Hölle der Unsterblichen gefangen war.«
    »Wie kommst du