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0851 - Der Kult der Shada-Gor

0851 - Der Kult der Shada-Gor

Titel: 0851 - Der Kult der Shada-Gor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Balzer
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getan?«
    Mit einem erstickten Schrei warf sich Wangdu dem Alten vor die Füße. Dicke Tränen liefen ihm übers Gesicht, und seine Stimme war kaum zu verstehen. »Vergebt mir, Vater, sie haben mich dazu gezwungen. Sie halten meine Familie gefangen und haben gedroht, sie zu foltern. Meine Schwester ist erst elf!«
    Ein Soldat riss den jungen Mönch vom Boden hoch, drückte ihm ein paar Geldscheine in die Hand und gab ihm einen Stoß in Richtung Tür »Los, raus! Du hast hier nichts mehr zu suchen.«
    Aschfahl wandte sich der Klostervorsteher an Zamorra. »Es tut mir leid. Ich hatte keine Ahnung.«
    »Ich weiß«, sagte Zamorra tonlos. Der verzweifelte Gesichtsausdruck des jungen Mönches hatte sich tief in sein Gedächtnis eingegraben. Er konnte Wangdu nicht für seinen Verrat verurteilen. Wie hätte er in seiner Situation reagiert? Wäre er standhaft geblieben, wenn das Leben von Nicole auf dem Spiel gestanden hätte? Zamorra wusste es nicht.
    »Ich werde für Sie beten.«
    Der Parapsychologe nickte. Dann taumelte er vorwärts, als ihm sein Bewacher den Gewehrkolben hart in die Seite stieß. Für einen Moment sah er Sterne.
    »Los jetzt. Oberst Yee wartet nicht gerne!«
    ***
    »Trinken Sie Ihren Tee, Professor. Er wird sonst kalt.«
    Jovial deutete Oberst Yee auf die Tassen mit dampfendem grünen Tee, die ein Bediensteter gerade auf seinem blitzblank aufgeräumten Schreibtisch abgestellt hatte.
    »Ich habe keinen Durst.«
    »Sie sollten das wirklich mehr zu schätzen wissen. In dieser verdammten Höhenluft dauert es Stunden, Wasser zum Kochen zu bringen. Lind dann verschmutzen diese Tibeter ihren Tee auch noch mit ihrer stinkenden Yakbutter.« Der Offizier schüttelte sich angewidert. »Kein Wunder, dass es dieses Volk nie zu etwas gebracht hat, wenn es die ganze Zeit mit Teekochen verbringt.«
    »Sie haben vielleicht keine beeindruckende Wirtschaftsmacht aufgebaut, dafür haben sie eine spirituelle Tiefe erreicht, von der die meisten Menschen nur träumen können.«
    »Oh ja, die berühmte Spiritualität der Tibeter, die Ihr Westler so bewundert. Wussten Sie, dass sie alle Käfer und Würmer mit der Hand auf sicheren Boden tragen, wenn sie einen Damm bauen? Sie singen sogar Lieder für die armen Insekten, die bei der Ernte zu Tode kommen.«
    »Für sie ist eben alles Leben heilig. Das unterscheidet sie ganz offensichtlich von Ihnen.«
    Für einen Moment dachte Zamorra, der Offizier würde vor Wut explodieren. Doch dann zündete sich Yee nur mit breitem Grinsen eine Zigarette an. »Da haben Sie verdammt recht, Professor. Wir haben in China 1,3 Milliarden Menschen. Das relativiert den Wert des einzelnen Lebens doch ganz gewaltig, finden Sie nicht? Ein Volk, das in der Welt bestehen will, darf sich nicht mit Sentimentalitäten aufhalten, sonst wird es untergehen. Das müssen die Tibeter lernen, und wenn wir es Ihnen mit Gewalt einbläuen müssen.«
    »Da haben Sie ja schon einen verdammt guten Job geleistet«, giftete Nicole, die ihren Tee bisher ebenfalls nicht angerührt hatte.
    »Das haben wir, aber diese verdammten Yaktreiber haben immer noch nicht kapiert, dass unser Weg der einzige ist. Sie beten immer noch zu ihrem Dalai Lama, obwohl jeder, der seinen Namen auch nur erwähnt, sofort ins Gefängnis wandert.«
    »Sie können eine Idee eben nicht verbieten«, sagte Zamorra. »Aber Sie haben uns sicher nicht gefangen genommen, um mit uns über Religion zu philosophieren.«
    Zu seinem Erstaunen musste Yee so lachen, dass er sich fast am Rauch seiner Zigarette verschluckte. »Nein, ganz sicher nicht. Obwohl es ein Genuss ist, mal mit jemandem zu diskutieren, der über den eigenen Tellerrand schaut und nicht nur immer Gebetsmühlen vor sich hin dreht.«
    Die verächtliche Art, mit der der chinesische Offizier über die einheimische Bevölkerung sprach, trieb Zamorra zur Weißglut. Doch der Parapsychologe zwang sich, ruhig zu bleiben. Es würde ihre Situation nicht unbedingt verbessern, wenn er dem Offizier an die Gurgel ging.
    »Also, was wollen Sie von uns?«
    »Ah, immer direkt zur Sache, kein blumiges asiatisches Drumherumgerede. Das ist es, was ich an euch Westlern so mag.« Genüsslich zog der Oberst an seiner Zigarette und blies kunstvoll den Rauch aus. »Wir wissen von Ihrer Verbindung zu den Neun Drachen.«
    »Die Neun Drachen sind eine Legende.«
    »Wenn Sie es sagen. Komischerweise berichten uns unsere Informanten da etwas ganz anderes. Und von dem Kult von Shada-Gor haben Sie vermutlich auch noch nie etwas

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