Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
0851 - Der Kult der Shada-Gor

0851 - Der Kult der Shada-Gor

Titel: 0851 - Der Kult der Shada-Gor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Balzer
Vom Netzwerk:
gehört?«
    »Nicht, dass ich wüsste.«
    »Dann sagt Ihnen das hier sicher auch nichts?«
    Zamorra fühlte einen plötzlichen Stich im Hinterkopf, als er das seltsam geformte Metallobjekt sah, das Yee aus einer Schublade hervorholte. Instinktiv wollte er den Blick abwanden, doch zugleich übte die bizarre Konstruktion eine eigenartige Faszination auf ihn aus, der er sich kaum entziehen konnte.
    Den alten Aufzeichnungen zufolge besaß der Kult ein Heiligtum, eine Art magische Maschine, mit der Macht, die Welt selbst aus den Angeln zu heben , hatte Lee gesagt. Doch dieses Metallobjekt sah ganz neu aus. Die blitzende Oberfläche wies nicht einen Kratzer auf. Es ist ein Ersatzteil , schoss es Zamorra durch den Kopf. Die Maschine ist damals zerstört worden, und jetzt wollen sie sie reparieren . »Wo haben Sie das her?«
    »Das muss Sie nicht weiter interessieren. Wo Sie doch so gar nichts darüber wissen. Aber sagen Sie mir eins: Was genau wollen Sie eigentlich in Tibet, Professor?«
    »Ich mag das Klima. Ganz zu schweigen von dem vorzüglichen Buttertee.«
    Yee lächelte kalt. »Sie wollen es also auf die harte Tour, Zamorra. Ich hoffe, Sie wissen, worauf Sie sich da einlassen. Sie sollten wissen, dass wir Chinesen mit so etwas Jahrtausende alte Erfahrungen haben. Es gibt keinen Geist, den wir nicht brechen könnten.«
    »Sie wollen uns foltern?«
    »Aber nein, nicht doch!« Mit einem befriedigten Lächeln registrierte-Yee den besorgten Seitenblick, den Zamorra reflexartig auf Nicole geworfen hatte. »Ich lade Sie nur ein, mir etwas Gesellschaft zu leisten.«
    »Wobei?«, fragte Zamorra alarmiert.
    »Bei einem kleinen Experiment. Glauben Sie mir, es wird sehr lehrreich sein.«
    ***
    Reiß dich zusammen! Chin-Li hörte die leise Stimme tief in ihrem Inneren, doch sie ignorierte sie. Zitternd kauerte sie an der Steinwand und schluchzte sich die Seele aus dem Leib. Doch die Stimme gab nicht auf. Sie wurde lauter, energischer.
    Du willst eine Kriegerin sein? Sieh dich an, du flennst wie ein kleines Kind. Du bist jämmerlich.
    Ja, sie war jämmerlich. Chin-Li hatte dem nichts entgegenzusetzen. Sie hatte gegen Gangster, den namenlosen Fremden und die wolfsköpfigen Tulis-Yori gekämpft, sie war ohne jede Sicherung von Hochhäusern gesprungen und hatte es sogar gewagt, den allmächtigen Neun Drachen den Rücken zu kehren.
    Doch jetzt saß sie hier und war am Ende ihrer Möglichkeiten. Chin-Li hatte gelesen, dass viele Menschen in der unendlichen Weite Tibets mit ihrer eigenen Kindheit konfrontiert wurden. Dass sie in ihren Träumen die ersten Abschnitte ihres Lebens noch einmal durchlebten und sich dem stellen mussten, was sie wirklich waren. Tibet veränderte die Menschen, indem es sie auf sich selbst zurückwarf, und nicht jeder mochte, was er sah. Doch sie hätte nie geglaubt, dass es auch sie treffen könnte.
    Sie war zu selbstsicher gewesen. Zu arrogant. Hast du wirklich geglaubt, du seist stark genug, um dieses Land zu besiegen? Mach dich doch nicht lächerlich.
    Doch es war gar nicht das Land, das ihr so zusetzte. Je mehr sich Chin-Lis Gedanken klärten, desto mehr verstand sie. Sie war aufgewachsen im Dschungel der Großstadt, doch sie liebte die unendliche Weite, die Ödnis dieses Fleckens Erde, sie entsprachen ihrer eigenen Einsamkeit, die sie, wohin sie auch ging, mit sich nahm.
    Es war die dunkle Magie dieser Höhle, die an ihren Schutzmauern fraß wie Säure. Das Amulett konnte sie vor der Verwandlung in eine dieser Bestien schützen, aber nicht vor dem zersetzenden Einfluss auf ihre Seele.
    Wieder überschwemmte sie eine Welle tiefster Traurigkeit. Chin-Li erinnerte sich an die harte Schule der Bruderschaft der Neun Drachen, die nur ein Ziel hatte, sie zur perfektesten Killermaschine zu machen, die Asien je gesehen hatte. Wie viele Menschen hatte sie getötet? Hundert? Zweihundert? Chin-Li wusste es nicht. Aber seit sie Hongkong verlassen hatte, sah sie ihre Gesichter nachts in ihren Träumen.
    Die meisten ihrer Opfer waren Kriminelle; Mörder, Betrüger und Kinderschänder. Aber das erleichterte ihr Gewissen nicht. Was würde Tin Hau dazu sagen, kleine Chin-Li? Was deine Eltern?
    Ihre Eltern! Sie hatten sie als Dreijährige zum Kloster der Neun Drachen gebracht, nachdem ein Wahrsager erkannt hatte, dass sie eine Auserwählte war. Im festen Glauben, den Göttern zu dienen und das Beste für ihr Kind zu tun. Nach ihren ersten Monaten im Kloster hatte Chin-Li nie wieder an sie gedacht. Die Gehirnwäsche der Neun

Weitere Kostenlose Bücher