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0851 - Der Kult der Shada-Gor

0851 - Der Kult der Shada-Gor

Titel: 0851 - Der Kult der Shada-Gor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Balzer
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Erklärungen.«
    Zamorra konzentrierte sich und wurde unsichtbar. Er hatte diesen Trick vor vielen Jahren bei seinem ersten Besuch in Tibet von einem buddhistischen Mönch erlernt. Der Parapsychologe wurde dabei nicht wirklich unsichtbar. Aber er begrenzte seine Aura auf seine körperlichen Abmessungen, so dass sie von anderen nicht wahrgenommen werden konnte. Andere Menschen konnten ihn nicht mehr wahrnehmen, so lange sie ihn nicht zufällig berührten.
    Zamorra wartete einen Moment, bis er sich sicher war, dass der Soldat nicht erneut schoss, dann stand er einfach auf und ging los. Unbemerkt erreichte er die Mülltonne, hinter der sich der verängstigte Uniformierte verschanzt hatte. Der Soldat wollte gerade aufspringen und erneut feuern, als Zamorra den Abzug seines Blasters betätigte. Blaue, sich verästelnde Blitze zuckten aus dem Abstrahlpol hervor und hüllten den Soldaten ein, der sofort bewusstlos zusammenbrach.
    Zamorra rannte zurück, als auch schon der Motor des Geelys aufheulte. Keine Sekunde zu früh erreichte er das Fahrzeug. Als sich Zamorra auf den Beifahrersitz warf, stürmten die ersten Soldaten um die Ecke. »Gib Gas!«
    »Worauf du dich verlassen kannst!« Nicole drückte das Gaspedal bis zum Anschlag durch, und der Geely schoss durch die enge Gasse. Genau auf eine weitere Gruppe von Soldaten zu, die erschreckt zur Seite sprangen. Eine Maschinenpistole brüllte auf, doch da waren sie schon außer Reichweite.
    »Das war knapp«, murmelte Nicole.
    Songtsen lag mit schmerzverzerrtem Gesicht auf der Rückbank. »Wie schlimm ist es?«, fragte Zamorra.
    Der Tibeter versuchte ein Lächeln. Es gelang ihm nicht. »Ein Treffer in die Brust und ein paar Streifschüsse. Wird mich nicht umbringen.«
    Zamorra konnte nur hoffen, dass er recht behielt. Ohne Songtsen waren sie aufgeschmissen. Schließlich waren sie jetzt Gejagte in einem fremden Land.
    ***
    »Wird er durchkommen?«
    Besorgt sah Nicole auf den entkleideten Tibeter, der vor ihr auf einem groben Holztisch lag. Zwei Mönche der traditionellen Bön-Religion hatten Songtsens Wunden gesäubert und rieben sie jetzt mit einer scharf riechenden Paste ein. Fünf weitere Mönche saßen im Hintergrund und drehten unermüdlich ihre Gebetsmühlen.
    »Er hat viel Blut verloren, aber sein Geist ist stark. Wir werden für ihn beten, um seinen Weg zurück ins Leben zu unterstützen. Aber letztlich liegt alles in der Hand der Götter. Wenn es ihr Wille ist, wird er heute zu ihnen gehen«, sagte der Klostervorsteher. Nach seinem faltigen Gesicht zu schließen, hatte der Abt die 70 schon weit überschritten, doch in seinen Augen funkelte eine wache Intelligenz.
    »Dann hoffen wir, dass sie einen guten Tag haben.«
    »Sie irren sich, Mademoiselle Duval. Für einen Tibeter ist es keine Tragödie, aus dem Leben zu scheiden. Geburt und Tod sind nur Stationen des ewigen Kreislaufs des Lebens. Wenn Songtsen stirbt, ist seine Seele nicht tot. Sie geht nur in einen anderen Bewusstseinszustand über und wird dann wieder zu uns zurückkehren.«
    Mit letzter Kraft hatte Songtsen die beiden Franzosen zum Kloster dirigiert und war dann noch auf der Schwelle zusammengebrochen. Die Mönche hatten das Auto im Hof versteckt und versuchten jetzt bereits seit Stunden, Songtsens Leben zu retten. Und es war immer noch mehr als ungewiss, ob sie es schaffen würden.
    »Sie sollten sich etwas ausruhen«, sagte der Klostervorsteher. »Hier können Sie nichts mehr tun. Wenn die Dunkelheit hereingebrochen ist, bringen wir Sie aus Lhasa heraus. Wir haben Leute außerhalb der Stadt, die einen sicheren Weg ins Gebirge kennen. Sie können Sie zu der Stelle bringen, von der aus sich Ihre Freundin zum letzten Mal gemeldet hat.«
    »Vielleicht ist ihr Funkgerät kaputt«, sagte Zamorra.
    »Vielleicht. Aber wir müssen auf das Schlimmste gefasst sein. Die chinesische Armee ist sehr gründlich.«
    »Chin-Li ist eine Meisterin des Überlebens. Sie findet immer einen Ausweg.«
    »Ich hoffe, Sie haben recht«, sagte der alte Mann, aber sein Blick verriet, dass er die Hoffnung des Parapsychologen nicht teilte.
    Zamorra fühlte sich plötzlich unendlich müde. Er konnte nur hoffen, dass sie den Strapazen in den Bergen gewachsen waren. Schließlich waren Nicole und er keine erfahrenen Bergsteiger. Immerhin spürte er, wie sich sein Körper langsam dem ungewohnten Höhenklima anpasste. Die Atmung und der Herzschlag hatten sich schon fast wieder normalisiert.
    »Ich muss Sie etwas fragen, ehrwürdiger Vater.

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