0851 - Der Kult der Shada-Gor
mit der Sprache des Bösen unmittelbar konfrontiert sah. Dann öffnete sie ihren Geist. Sie ließ sich von der Melodie durchdringen, konzentrierte sich auf jede einzelne der unheiligen Silben, deren Sinn sie nach wie vor nicht verstand.
Chin-Li und das Lied wurden eins. Wie von selbst öffneten sich ihre Lippen und sangen. Leise erst, dann immer lauter und lauter, bis sie glaubte, das Universum selbst müsste erzittern vom grässlichen Klang dieser gotteslästerlichen Hymne.
Lange Zeit geschah nichts. Dann hörte Chin-Li schlurfende Schritte und ein leises Schaben an der Wand. Offenbar wollte ein Wächter nachsehen, was mit der Gefangenen los war. Chin-Lis infernalischer Gesang hatte ihn vermutlich zutiefst verwirrt. Er musste überprüfen, ob der Einfluss der Höhle tatsächlich den Schutz des Amuletts überwunden und die junge Kriegerin zu einer der ihren gemacht hatte.
Immer noch singend erhob sich die junge Chinesin. Die Wand war sehr uneben. Es gab unzählige Vorsprünge, winzig nur, aber sie würden reichen. Wie eine Eidechse kletterte Chin-Li die Wand hoch, bis sie sich etwa drei Meter über dem Boden befand. Sie hatte sich gerade richtig positioniert, als unter ihr eine verborgene Tür aufglitt und eine der Shada-Gor-Kreaturen den Kerker betrat.
Der Wächter hatte keine Zeit, sich über die leere Zelle zu wundern.
Mit einem wilden Kampfschrei stürzte sich Chin-Li auf ihn hinab und riss ihn zu Boden. Die Kreatur war zu überrascht, um zu reagieren. Chin-Li versetzte ihr zwei kräftige Schläge gegen den Hals und hechtete durch die schmale Öffnung ins Freie. Der Wächter wollte hinterherstürzen, doch die Kriegerin warf sich gegen die Tür, die knirschend zufiel. Ein leises mechanisches Klicken verriet ihr, dass ein verborgener Schließmechanismus betätigt wurde. Mit etwas Glück ließ sich die Tür nur von außen öffnen. Aber darauf konnte sie sich nicht verlassen.
Hastig sah sich Chin-Li um. Offenbar befand sie sich in einer Art Turm. Eine verwinkelte Treppe führte steil nach unten. Kleine, schießschartenähnliche Fenster ermöglichten einen Blick ins Freie. Der Turm stand offenbar mitten in der Stadt. Die Straßen waren wie leer gefegt. Kein einziger der albtraumhaften Bewohner ließ sich blicken. Gut.
Lautlos glitt Chin-Li die Treppe hinab. Sie endete in einem kleinen, völlig kahlen Vorraum. Und dort warteten sie auf sie. Drei Shada-Gor-Kreaturen versperrten den Weg zum Ausgang und stierten mit blutunterlaufenen Augen zu ihr herauf. Sie wirkten nicht überrascht. Möglicherweise hatte der Wächter sie telepathisch zu Hilfe gerufen.
Ohne zu zögern, griff Chin-Li an. Sie nahm Anlauf und stieß sich auf einer der untersten Stufen ab. Wie ein Geschoss flog sie über das Monstertrio hinweg, schlug einen Salto und landete katzengleich auf den Füßen. Sofort rammte sie dem nächststehenden Ungeheuer den linken Fuß in den Unterleib. Befriedigt registrierte die chinesische Kriegerin, dass auch Monster an dieser Stelle nicht ganz unempfindlich waren. Heulend ging die Kreatur in die Knie. Geschickt wich Chin-Li den scharfen Klauen eines weiteren Angreifers aus und versetzte ihm einen kräftigen Schlag auf den Solarplexus. Jeder menschliche Gegner wäre auf der Stelle zusammengebrochen, doch die Shada-Gor-Kreatur brüllte nur zornig auf und schlug zurück. Haarscharf entging Chin-Li einem Hieb, der ihr beinahe die Kehle zerfetzt hätte.
Auch wenn es sich Chin-Li nicht gerne eingestand, sie konnte diesen Kampf nicht gewinnen. Also blieb ihr nur eine Alternative: die Flucht! Die Chinesin verschaffte sich mit einem wahren Feuerwerk aus Schlägen und Tritten etwas mehr Spielraum, dann sprang sie zur Tür, riss sie auf und hechtete ins Freie. Die Straße war immer noch leer. Immerhin etwas. Schon hörte sie, wie die Shada-Gor-Kreaturen ihr folgten.
Chin-Li lief los und bog in eine kleine Seitengasse ab. Sie rannte, bis ihr die Lunge zu platzen drohte. Dicht hinter sich hörte sie ihre Verfolger, während sie immer tiefer in das Labyrinth der verwinkelten Seitengassen eintauchte. Den Geräuschen nach zu urteilen, hatten sich noch mehr Shada-Gor-Kreaturen der Suche angeschlossen.
Schon nach wenigen Minuten hatte die Kriegerin jede Orientierung verloren. Es würde nicht lange dauern, bis ihre Verfolger sie aufgespürt hatten. Kurz entschlossen näherte sich Chin-Li einem der verlassen wirkenden Gebäude. Die Tür war offen. Vorsichtig trat sie ein, doch niemand stellte sich ihr entgegen.
Sie hatte die
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