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0851 - Wir jagten das bleiche Gesicht

0851 - Wir jagten das bleiche Gesicht

Titel: 0851 - Wir jagten das bleiche Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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mehr in ihrer Zelle geblieben. Sie hatte den kleinen Raum verlassen und stand jetzt in der Nähe, nicht weit von dem bleichen Gespenst entfernt. Ein Körper, der sich aus zwei unterschiedlich großen Kugeln zusammensetzte, der auf kurzen Beinen hüpfte, als wollte diese Person das Rumpelstilzchen imitieren.
    Spaß, höllischen Spaß hatte diese Person an seinem Schicksal. Wie du mir, so ich dir.
    Berta streckte ihren Arm aus. »Du auch!« keifte sie. »Du auch!« Es hörte sich furchtbar an, es war der widerliche Triumph der Verliererin, den sie jetzt genoß, denn sie wollte keinesfalls, daß jemand entkam.
    Das Gespenst schwebte vor ihr. Der feinstoffliche Körper glitt kurzerhand durch diese Person hindurch. Er glitt weiter und brachte auch jetzt die Kälte des Todes mit, die ihn begleitete wie ein unsichtbarer Schatten.
    Albert Fink drehte den Kopf. Tränen der Wut stiegen in seinen Augen hoch, als er in die Tiefe schaute. Wie oft war er diese verdammte Treppe schon hinabgegangen, diesmal aber kam sie ihm vor, als würde sie ihn in ein großes Grab führen, in dem auch noch genügend Platz für ihn gelassen worden war.
    Dennoch – es gab nur diese Möglichkeit, und er nahm sie in Anspruch. Er rannte los.
    Seine Beine zitterten. Die Knie waren weich. Bei jedem Tritt auf eine Stufe gaben sie nach, und er mußte sich schon am rostigen Geländer festklammern, um nicht zu fallen.
    So kam er weiter.
    Die Treppe lief zuerst ein Stück geradeaus. Etwas in der Mitte machte sie einen Schlenker nach links, um dort zu enden, wo der Gang des Schreckens begann.
    Da lagen denn die furchtbaren Zellen, aber auch die Dusche. An ihr würde er zuerst vorbeikommen.
    Am Treppenabsatz blieb er für einen Moment stehen. Er konnte seinen keuchenden Atem nicht unter Kontrolle bekommen, er mußte erst sehen, wo sich diese verfluchte Rita Reinold aufhielt, deren Erscheinen er auch jetzt noch nicht fassen konnte.
    Sie war da.
    Sie war ihm tatsächlich nachgekommen und stand am Ende der Treppe unbeweglich wie eine Frau, die aus leicht durchsichtigem und sehr dünnen Eis bestand.
    Sie schaute in die Tiefe.
    Nur schwaches Dämmerlicht umgab sie. Aber Albert glaubte trotzdem, den Ausdruck in ihren Augen sehen zu können, und darin erkannte er nicht die Spur einer Gnade.
    Er las sein Schicksal darin.
    Es bedeutete Vernichtung! Fink hatte immer zu den Menschen gehört, die viel und laut fluchten. Selbst das war ihm in diesem Augenblick vergangen. Er hatte zuviel Angst um sein bißchen Leben. Mit einer abrupten Bewegung drehte er sich um, um auch den letzten Rest der Treppe hinter sich zu bringen. Irgendwo dort unten würde er sich dem Wesen dann endgültig zum Kampf stellen und es….
    Weiter wagte er nicht zu denken. Zudem hatte er das Gefühl, als würden sich seine Beine von allein bewegen. Er kam gut weg, aber er fiel mehr, als daß er ging.
    Das Geländer war zu seinem Halt geworden. Nur würde es nie zum Lebensretter werden können.
    Vor der Stufe sackte er noch einmal in die Knie und blieb stehen.
    Er saugte die Luft ein, und es stand noch immer dieser alte, so typische Geruch zwischen den mit Schimmel und Moder überzogenen Mauern. Hier roch es nach Tod, nach Vergänglichkeit, hier war das Grauen zu Hause, und er wußte auch, daß sich am Ende dieses Gangs die Tür befand, die zur »Waschküche« führte.
    Er selbst hatte dort nie getötet: Aber er war an gewissen Vorbereitungen beteiligt gewesen, und so etwas würde bei der Abrechnung auch zählen.
    Fink stolperte voran. Und jetzt erinnerte er sich an seine Lampe.
    Rasch holte er sie aus der Außentasche seiner Jacke. Der breite Strahl zitterte ebenso wie seine Hand, als er in die Finsternis zwischen den Wänden hineinleuchtete, den Staub tanzen sah und die Feuchtigkeit an den Wänden entdeckte, die aussah wie altes Blut, das noch nicht eingetrocknet war.
    Er ging weiter.
    Seine Verfolgerin hörte er nicht, aber er wußte genau, daß sie ihm auf den Fersen war.
    Und dann hörte er die Geräusche.
    Zuerst kam Fink damit nicht zurecht. Bis ihm einfiel, daß sie hinter einer geschlossenen Tür aufgeklungen waren. Und zwar rechts von ihm. Dort befand sich die Holztür zur Dusche.
    Es war ein relativ großer Raum. Sechs Duschtassen »klebten« unter der Decke. Aus ihnen strömte nur kaltes Wasser hervor, aber daran dachte er jetzt nicht, denn er hatte andere Dinge gehört. Diese Geräusche waren Stimmen.
    Jammernd und klagend. Als wollten sie alles Leid der Welt hinausschreien.
    Albert Fink

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