0853 - Die vier aus der Totenwelt
nicht. Die anderen Kräfte waren grausam und brutal. Das Wasser hielt sie fest, drückte sie nach unten, und ihre paddelnden Bewegungen wirkten manchmal lächerlich und auch hilflos.
Ich selbst spürte ihre Qualen und hatte das Gefühl, ebenfalls keine Luft mehr zu bekommen. Ich hockte noch immer in meinem Boot, alles war so anders geworden. Ich hielt die Augen offen, aber um mich herum war eine Bühne, auf der die Ereignisse der Vergangenheit in wuchtigen, schrecklichen und dreidimensionalen Bildern abliefen.
Ich sah auch die beiden jungen Frauen, die gegen mich trieben. Ob sie bereits tot waren, konnte ich nicht erkennen, aber ihre Gesichter sahen aus wie die von Leichen.
Sie waren so bleich, so aufgedunsen, so erstarrt und durch die Brechung des Wassers verzerrt. Ob sie ihre Arme aus eigener Kraft bewegten oder sich die Wirbel und Strudel dafür verantwortlich zeigten, das wußte ich ebenfalls nicht. Sie hüpften nur hin und her, getrieben von den Wellen und Strömungen, und als ich in das Gesicht eines jungen Mannes sah, da zuckte plötzlich dessen Mund, den er bis zu diesem Zeitpunkt geschlossen gehalten hatte.
Er öffnete ihn.
Das Wasser hatte freie Bahn.
Es strömte hinein, der Junge zuckte, er würde grausam ersticken und ertrinken.
Woher kam der Schatten?
Er wischte durch das Wasser wie ein gewaltiger Fisch, was er nicht war, denn seine Umrisse glichen denen eines Menschen. Und er war ein Mensch, wie ich überdeutlich erkennen konnte. Ein monströser Körper, zu dem auch ein Kopf gehörte – und ein Gesicht!
Mein Erschrecken war tief!
Das Gesicht hatte ich schon einmal gesehen. Es war die aus unterschiedlichen Hälften bestehende Fratze. Auf der einen Seite ein Gerippe, auf der anderen die normale Haut, doch genau dort, wo die beiden Hälften zusammentrafen, sah ich die Nahtstellen, die sich wie ein quer verlaufender Reißverschluß von oben nach unten zogen.
Es war ein Bild, das mich schockte. Bei dieser bildlichen Rückführung in die Vergangenheit spürte ich den Druck im Magen und auch den verdammten Schauer, der wie ein Eishauch auf meiner Gestalt lag.
Der Mann griff zu.
Er hatte Kraft, er packte sich die beiden Mädchen und die beiden Jungen, er zerrte sie aus dem Wasser, ich sah es genau, und ich erkannte auch, daß er sie aufs Trockene schleuderte.
Am Ufer blieben sie liegen.
Der Unheimliche und für mich auch Namenlose, machte weiter. So erlebte ich, wie er versuchte, die vier jungen Leute wieder ins Leben zurückzuholen.
Er spielte jetzt den Retter. Er bewegte ihre Arme, er drückte gegen die Brustkörbe, er sorgte dafür, daß Wasser aus den Mündern und den Nasen hervorströmte.
Ich schaute zu, ohne eingreifen zu können, denn all die Dinge waren schon geschehen. Man präsentierte mir hier die Lösung. Wahrscheinlich hatten es die vier Geistgestalten so gewollt.
Ich hockte auch weiterhin in meinem Boot auf dem See, umfangen von den Bildern der Vergangenheit.
Der unheimliche Fremde schleifte sie weiter. Die beiden jungen Männer hielt er mit der rechten Hand fest, die Frauen mit der linken. Er hatte die Arme der Leblosen angehoben. Zu seinen Händen hin bildeten sie zwei schiefe Ebenen, die Körper schleiften über dem Boden, und er schaffte sie kurzerhand weg.
Wohin, das konnte ich im Moment nicht sehen. Das Bild wurde auch diffus, ich kriegte mit, wie die Vergangenheit ihre Kraft verlor, und ich befand mich für einen Moment wieder in der Wirklichkeit.
Allein daran spürbar, daß mich die Kälte traf, ich war also wieder da. Man hatte den Film aus der Vergangenheit einfach unterbrochen.
Ich selbst konnte nichts tun, tastete aber nach meinem Kreuz und hatte es nicht einmal richtig berührt, als die Umgebung abermals vor meinen Augen verschwand.
Die Kraft der vier Geister hatte wieder die Oberhand gewonnen.
Ich erlebte mit, wie es den vier jungen Leuten ergangen war, denn es folgte der zweite, noch schrecklichere Teil des Dramas.
Sie hielten sich nicht mehr in der unmittelbaren Umgebung des Ufers auf. Jetzt war alles anders geworden. Die monströse Gestalt hatte ihre Beute weggeschafft. Ich sah sie als die vier leblosen Gestalten dort, wo die Uferregion mit Buschwerk bewachsen war.
In der Zwischenzeit hatte sich da etwas getan.
Vier Gräber!
In mir vereiste etwas.
Aber ich mußte weiterhin zuschauen und erlebte, wie sich diese unheimliche Gestalt an die grausame Arbeit machte. Sie hob zuerst eine der jungen Männer an und legte ihn in das Grab. Ein Mädchen folgte,
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