0855 - Kalis Würgertruppe
kniete am Boden. Beide Hände vor seinen Leib gepreßt, als wollte er fühlen, wo sich die Schlange bewegte.
Im nächsten Augenblick erlebte das Grauen noch eine Steigerung.
Die Hände des Mannes konnten sich dem Druck nicht mehr entgegenstemmen. Von innen her brach das Verhängnis aus seinem Körper hervor. Er platzte auf, und endlich drang ein Schrei aus seinem Mund, wie Carol ihn noch nie gehört hatte.
Plötzlich war alles anders. Die Wirklichkeit zuckte wie ein schnell laufender Film an ihr vorbei. Sie erlebte das Geschrei auch der anderen Menschen, die herbeirannten, und sie sah den Mann, der sich am Boden wälzte und der es auch nicht mehr schaffen würde, sein Leben zu retten, denn der Körper war aufgebrochen.
Carol wandte sich ab. Auch ihre Bewegungen kamen ihr vor wie im Zeitlupentempo. Sie wollte nicht mehr hinschauen und sah deshalb nicht, wie die Schlange in die Höhe schnellte.
Schreie umtanzten ihre Ohren. Helfer waren in der Nähe, nur wußten sie nicht, wie sie sich verhalten sollten. Auf irgendwelche Terroristen waren sie eingestellt, aber nicht auf killende Schlangen.
Das Tier hatte noch nicht genug. Es sauste über den geöffneten Koffer hinweg, immer auf der Suche nach dem Opfer, und Carol wich zurück. Plötzlich wurde ihr klar, daß sie keinen Traum erlebte.
Das hier war Wirklichkeit, auch wenn es auf sie wie ein Film wirkte.
Brutale Realität, in der sie wieder zum Mittelpunkt werden sollte.
Sie bewegte zuckend den Kopf. Sie erkannte bewaffnete Männer in Uniformen, aber sie hörte keine Schüsse. Das Ziel war einfach zu schlecht zu treffen.
Plötzlich stand der hochgewachsene Inder aus dem Flugzeug neben ihr. Sie hatte ihn nicht gesehen, er war einfach da, als hätte er sich materialisiert, und er griff blitzschnell zu.
Das grünbraune Geschöpf hing in seinem Griff wie ein elektrisch geladenes Band. Er hatte das Tier dicht unter dem Kopf zu fassen bekommen, mit der anderen Hand umfaßte er sein Ende, und plötzlich ruckten seine Arme auseinander.
Nicht nur sie, auch der Schlangenkörper konnte dieser gewaltigen Kraft nichts entgegensetzen. Er wurde mitten in der Luft zu zwei Hälften zerrissen, die der Inder zu Boden schleuderte und zertrat.
Carol Deep wußte nicht, was sie denken sollte. Sie stand wachsbleich auf dem Fleck, ohne sich zu rühren. Begreifen konnte sie es erst recht nicht, und sie kam sich vor wie jemand, der aus einem tiefen Traum erwacht war. Erst allmählich kehrte sie zurück in die Wirklichkeit. Die Bilder wurden klar, als wäre eine Optik scharf gestellt worden.
Ihr wurde übel. Sie taumelte zurück und wäre gefallen, hätte sie der Inder nicht aufgefangen. Er sprach auf sie ein. »Sie brauchen keine Angst mehr zu haben, es ist vorbei.« Das Englisch klang akzentfrei, die Stimme paßte zu ihm, sie vermittelte Carol eine Sicherheit, die sie aufatmen ließ.
Was in ihrer Umgebung geschah, bekam sie nur am Rande mit. In diesem Bereich des Zolls wimmelte es von Uniformierten. Sie sah den Stahl der Waffen, aber auch Menschen in hellen Kitteln, die sich um den Beamten kümmerten.
Der Inder wollte sie wegziehen, aber Carol schüttelte den Kopf.
»Nein, nein, ich muß wissen, was mit dem Mann geschehen ist.«
»Er lebt nicht mehr.«
»Das wissen Sie?«
Er schaute sie an und nickte.
»Woher? Wie konnte das passieren…?«
»Später, alles später.«
Carol hatte sich wieder so weit gefangen, daß sie ihren Retter anschauen konnte. Ihr Reportergehirn arbeitete bereits, und sie kam zu dem Entschluß, daß diese Rettung und das Zusammentreffen kein Zufall gewesen waren. Der Fremde war für sie ein Beschützer gewesen. Er hätte eigentlich längst durch den Zoll gewesen sein müssen, aber er war zurückgekommen, stand nun neben ihr und lächelte.
»Nun, ich werde mich bei Ihnen bedanken müssen, aber Sie werden verstehen, daß Ihr Erscheinen hier gleichzeitig einige Fragen bei mir aufgeworfen hat.«
»Sicher, Madam.« Er war sehr höflich.
»Darf ich fragen, wer Sie sind? Ich sage Ihnen meinen Namen gern. Ich heiße Carol Deep.« Es kam ihr so vor, als wäre der Name nichts Neues für ihn.
Er deutete eine Verbeugung an. Wieder schimmerten seine Augen in einer für Carol nicht zu identifizierenden Farbe. »Ich heiße Mandra Korab, Madam…«
***
Für den Beamten hatte es keine Rettung mehr gegeben. Er war eines schrecklichen Todes gestorben, die Schlange hatte sich in seinem Körper benommen wie ein Piranha, und mehr hatte der Mann Carol nicht erklären
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