0855 - Spektrum des Geistes
bedroht."
Er blickte hoffnungsvoll zu ihr hinunter.
„Dann spürst du es, du kannst die Sendungen empfangen. In diesem Fall darf ich hoffen. Es ist noch nichts verloren, ich werde dich auf den rechten Weg bringen." Er beugte sich über den Schiefertisch und ergriff ihre kalten Hände. „Ich habe mich dumm benommen, Virna, verzeih mir. Aber du mußt mich verstehen, die Psychode sind mein Lebensin-halt. Ich habe es mir zur Aufgabe gemacht, ihr Geheimnis zu ergründen. Und ich war ent-täuscht, als du dich von mir abwandtest."
„Das siehst du falsch, Harzel..."
„Ich weiß, ich habe mich getäuscht", gestand er. „Aber wir können noch einmal von vor-ne beginnen."
„Dann fährst du mit mir hinaus?"
„Ja - später." Er erhob sich geschäftig, „Es war ein Fehler, dich sofort der geballten Strahlung aller Psychode auszusetzen. Du brauchst eine Anlaufzeit, um dich daran zu gewöhnen. Ich werde dir dabei helfen, indem ich dich Stück für Stück mit den Kunstwerken vertraut mache. Du brauchst nicht mehr in mein Heiligtum zu kommen, solange du im Umgang mit den Kunstwerken nicht vertraut bist. Ich weiß, was zu tun ist."
Mit diesen Worten verschwand er. Sie blieb sitzen, starrte gedankenverloren vor sich hin, in dem Bewußtsein, daß Harzel und sie aneinander vorbeigeredet hatten.
Ungefähr eine halbe Stunde später kam Blinizzer und forderte sie singend auf, ihm in ih-ren Schlafsaal zu folgen. Als sie den Raum betrat, sah sie am Kopfende ihres Hünenbetts eine große Plastik stehen, die ein kauerndes Wesen mit zwei Köpfen darstellte. Die Dar-stellung war allerdings nicht naturalistisch, die Extremitäten verschmolzen mit dem Körper und bildeten ein schwungvolles Ganzes, aus dem nur die kugeligen Köpfe auf einem lan-gen, teleskopartigen Hals herausragten.
„Dies ist der gangbarste Weg", erklärte Harzel dazu, der auf die Plastik gestützt dastand. „Du sollst zuerst mit einem einzigen Psychod zusammenleben, und wenn du deine Scheu verloren hast, werde ich dir ein zweites zur Seite stellen. Das setzen wir solange fort, bis du stark genug bist, mit mir das letzte Stück des Weges zur Illumination zu gehen."
„Schaff diesen häßlichen Klumpen aus dem Raum", verlangte Virna hysterisch. „Wenn ich neben diesem Ding schlafen muß, werde ich noch wahnsinnig. Bring es bitte weg, Harzel."
„Das geht nicht", sagte er fest. „Du mußt dich an das Zusammenleben mit den Psychoden gewöhnen."
Sie hätte schreien mögen oder weinen, aber sie tat beides nicht, sondern lief einfach davon. Irgendwann fand sie sich inmitten des Kakteenwalds, ohne genau zu wissen, wie sie dahin gekommen war.
Bald darauf heulte die Sturmsirene auf, und sie mußte ins Haus zurückkehren. Sie schaffte es gerade noch, bevor die automatischen Schutzläden sich schlossen.
Als sie in ihren Schlafsaal kam, stand dort immer noch das Psychod. Sie legte sich trotz aller Ängste aufs Hünenbett und versuchte sich zu entspannen. Aber es gelang ihr nicht. Das Psychod hinter ihr stellte eine Bedrohung dar, die sie einfach nicht ignorieren konnte. Schließlich hielt sie es nicht länger aus, verließ ihren Schlafsaal und wanderte durch das Gebäude.
Sie kam über einen winkeligen Stiegenaufgang zu einem der Obergeschosse, in dem sie noch nie gewesen war. Dort fand sie eine kleine Kammer, in der einige Strohmatten und Decken lagerten. Daraus machte sie sich ein Lager.
Irgendwann mußte sie eingeschlafen sein, denn sie schreckte benommen hoch, als sie ein Geräusch vernahm. Sie öffnete die Augen und wurde von einem Stablicht geblendet, das ein Zwotter hoch über den Kopf hielt. An der Stirndelle erkannte sie Blinizzer.
„Was wofür und macht Angst groß?" fragte er singend. „Das Fluchtzurückziehen?"
„Ja, ich habe dort unten Angst", gestand sie. „Wirst du mich verraten, Blinizzer? Du darfst Harzel nichts davon sagen."
„Ehr' und Wort!" sang Blinizzer. „Blinizzer unverräterisch."
Sie war beruhigt. Blinizzer blieb bei ihr, bis sie eingeschlafen war.
*
In der folgenden Zeit fand sie in Gesellschaft der Zwotter Vergessen.
Sie fuhr oft mit Blinizzer im Geländewagen in die Wüste hinaus. Er war wirklich ein guter Fahrer und entwickelte dabei eine geradezu kindliche Begeisterung.
Er fuhr mit ihr in die Berge, und wenn es mit dem Wagen nicht weiterging, dann setzten sie den Weg zu Fuß und über verschlungene Pfade fort. Von hochgelegenen Aussichts-punkten beobachteten sie das Treiben in den vegetationsreichen Schluchten,
Weitere Kostenlose Bücher