0859 - Die Mutantenspinne
dass noch niemand von seinen Experimenten wissen sollte. Ihm war klar, dass sein eigentlicher Machtbereich unter unter Beobachtung stand.
Viele misstrauten ihm. Sie hielten seine Zurückhaltung für einen Trick.
Deshalb experimentierte er in Frankreich. Dort befand sich an einem geheimen Ort sein Labor. Einen Versuch hatte er bereits abgeschlossen. Es hatte funktioniert. Dummerweise hatten ausgerechnet Menschen herausgefunden, dass der Werwolf, den sie erlegt hatten, genetisch manipuliert worden war. Also hatte er sie umgebracht.
Glaubte er. Dass eines der Opfer überlebt hatte, ahnte er nicht. Er hatte sich zu schnell entfernt, um nachzuprüfen, ob sein Hieb tatsächlich tödlich gewesen war. { f : 0857 }
Jetzt lief sein zweites Experiment. Er war gespannt darauf, wie es enden würde…
***
Abdul Mahasseq, vor fast zwanzig Jahren aus Algerien eingewandert, seit sieben Jahren mit französischem Pass und seit sechs Jahren arbeitlos, hielt sich mit Gelegenheitsjobs über Wasser und verfluchte alle, die immer wieder für höhere Löhne und Gehälter streikten und die auch durchsetzten. Liebend gern hätte er sich diesen Streiks angeschlossen, aber dafür brauchte er Arbeit, und die gab ihm keiner. Und das magere Arbeitslosengeld - das er inzwischen auch schon nicht mehr bekam, weil er zu lange arbeitslos war - wurde nicht erhöht. Um leben zu können, nahm er deshalb an, was sich ihm bot. Kurierdienste, Erntehelfer, Reinigungsarbeiten, Erpressung, Hehlerei, Zeitungen austragen und was es sonst noch an legalen und illegalen Tätigkeiten gab… Dafür bekam er dann ein bisschen Geld, steuerfrei, das gerade mal ein paar Tage reichte. Manchmal reichte es sogar für einen zünftigen Abend in seiner Stammkneipe - Mohammed hatte den Söhnen Allahs zwar den Genuss von Alkohol verboten, aber erstens stufte sich Abdul bei der Auswahl gut/schlecht als schlechten Moslem ein und zweitens war Alkohol für ihn kein Genussmittel, sondern Medizin zur Linderung des alltäglichen Frustes. Und drittens hatte Mohammed - möge Allah ihm stets ein warmes Plätzchen am Herd und die Gesellschaft Dutzender liebreizender Huri in den Wonnen des Paradieses bescheren - noch keinen Cognac kennen können, weil es den zu seinen Lebzeiten noch nicht gab, und was man nicht kennt, kann man auch nicht verbieten. Oder sieht jemand, Gläubiger oder Giaur, das anders?
Abdul Mahasseq schlenderte die Straße entlang. Außer ihm war um diese Zeit niemand sonst hier unterwegs. Die Häuser waren teilweise schon seit Jahren unbewohnt. Sie standen hier so dicht, dass man problemlos von Dach zu Dach hüpfen konnte, wenn man einen relativ sportlichen Fluchtweg benötigte und das verrottete Dach nicht unter dem Sportler zusammenbrach. Und in den sehr schmalen Durchgängen, die man benutzte, wenn man von der Straße direkt auf den Hinterhof gelangen wollte, war es zumeist auch bei Tage dunkel wie im Verdauungstrakt des Löwen.
In den beinahe zwei Jahrzehnten, die Abdul nun schon in diesem Teil Lyons lebte, war ihm das alles längst vertraut geworden. Er kannte hier jedes Rattenloch und seine Bewohner mit Vornamen, wusste, welcher Durchgang in welchen Hof führte und wie man von dort ungesehen weiterkam.
Vor einem der Durchgänge kauerte ein Hund. Eine gelungene Mischung aus Schäferhund, Dackel, Spitz, Terrier, Fuchs, und ein bisschen Katze - und ein bisschen Blondine schienen sich auch in den Stammbaum verirrt zu haben. Wie auch immer.
Abdul grinste, als er sich die Entstehungsgeschichte dieser Mischung bildlich vorstellte.
Als das Produkt einer tierischen Völkerverständigung Abduls Schritte hörte, wandte es ihm den Kopf zu und sah ihn so traurig an, dass ihn eine unwiderstehliche Mitleidswelle überschwemmte und sein Grinsen davonspülte. »Na, Kamerad, auch arbeitslos?«
Der Hund wandte sein Augenmerk wieder dem nachtfinsteren Durchgang zu und ließ es geschehen, dass Abdul sich ihm auf Streichelreichweite näherte. Das Fell war gesträubt, der Schwanz eingezogen, die Ohren angelegt. Aber er knurrte nicht, er winselte nur, selbst als Abduls Hand sanft versuchte, das Fell zu glätten.
Es fühlte sich recht gepflegt an, und da war auch ein Halsband mit Inschrift, der den Multihund als »Hercule« auswies. Er hatte also einen Besitzer, der sich recht gut um ihn kümmerte.
Aber wo war dieser Besitzer?
Und warum starrte das Getier so traurig und furchtsam in die Dunkelheit zwischen den beiden Häusern?
Besonders dunkel war's da jetzt, weil die Sonne so
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