0859 - Höllenliebe
Abbé schaute sich im Bauch der Fähre um. Er hörte von irgendwoher Stimmen. Zwei Männer und zwei Frauen hatten schon den Weg aus dem Restaurants zurückgefunden. Sie balancierten Tabletts vor sich her.
Bloch hatte nichts gegen diese Mitreisenden. Lieber wäre es ihm allerdings gewesen, wenn Pierre das Restaurant verlassen hätte, aber er war leider nicht zu sehen.
Die Sorgen wuchsen.
Die vier Reisenden stiegen in einen anderen Wagen. Sie lachten dabei wie die Kinder. Dann waren sie nicht mehr zu sehen, und der Abbé hörte nur mehr das dumpf klingende Brausen der Schiffsmotoren, die für den Antrieb der Fähre sorgten.
Wo blieb Pierre?
Der Templer war Realist genug, um sich einzugestehen, daß er einen Fehler begangen hatte. Er kannte Pierre gut, sonst hätte er ihn nicht als seinen Schutz mitgenommen. Der junge Mann war zuverlässig. Freiwillig würde er nie länger bleiben, als er mußte. Daß er bis jetzt noch nicht zurückgekehrt war, daraus konnte Bloch schließen, daß ihm etwas passiert sein mußte.
Er wollte es nicht hoffen, aber er war bereit, sich mit dem Gedanken vertraut zu machen.
Der Abbé zog sich wieder zurück. Er schloß die Tür leise. Der Schaffner schnarchte noch immer.
Bloch ging mit ebenso leisen Schritten an dessen Abteil vorbei, weil er den Mann nicht stören wollte. Bis zu seiner Tür war es nicht weit.
Bevor er sie aufzog, warf er einen Blick in das Abteil. Er rechnete mit allem, aber in diesem Fall hatte er sich verrechnet, und das war gut so.
Das Abteil war leer.
Tief atmete er durch. Er wollte den Druck von seiner Seele wegbekommen, was er leider nicht schaffte. Der Klumpen blieb, er war nur in Richtung Magen gewandert.
Der Abbé nahm wieder Platz. Er streckte die Beine aus, den Blick zur Tür gerichtet. Der Templer-Führer war sensibel genug, um zu fühlen, daß etwas nicht stimmte. Auf ihn kam eine Gefahr zu. Sie bewegte sich dabei nicht in seiner unmittelbaren Nähe, aber sie war durchaus vorhanden, und er merkte auch, wie die Kälte über seinen Rücken hinwegstrich. Die Gefahr bildete er sich nicht ein.
Das Fremde lauerte, das Fremde wollte an ihn heran.
Es war stark. Er würde sich wehren müssen, wobei er zugleich wußte, daß er ihm unterlegen war.
Als er den Kopf nach rechts drehte, zeichnete sich in der Fensterscheibe sein Gesicht ab. Darüber erschrak er selbst, denn im Glas wirkte es alt, als würde es jeden Augenblick verlaufen.
Er haßte sich für seine Tat. Ihm war plötzlich klargeworden, daß er Pierre ins Verderben geschickt hatte.
Seine Lippen zuckten. Er sprach mit sich selbst und wußte nicht, was er sagte. Über ihm lagen die Koffer im Gepäcknetz. Dort waren die wichtigen persönlichen Dinge verstaut, aber einen Gegenstand trug der Abbé am eigenen Leib - den Würfel!
Es war der Würfel des Heils, ein genaues Duplikat zu dem des Unheils, der sich in den Händen eines mächtigen Dämons mit dem Namen Spuk befand. Das genau hatte er nicht ändern können, er wollte es auch nicht, denn der Würfel war sein Begleiter und auch Führer zu der Zeit gewesen, als er ohne Augenlicht auskommen mußte.
Bloch holte ihn hervor.
Seine Hände zitterten, als er in die weite Tasche der ebenfalls weit geschnittenen Jacke griff. In ihr fiel der Würfel kaum auf, zudem war er nicht schwer, und der Abbé fühlte sich besser, als er ihn in der rechten Hand hielt.
Es tat gut ihn zu berühren, auch die innerliche Wärme, die der Gegenstand an seinen Besitzer abgab.
Zwei Hände streichelten über ihn hinweg, und auf dem Gesicht des Templers lag ein Lächeln. Seit er den Würfel an sich genommen hatte, fühlte er sich besser. Er war für ihn der Weg in eine andere Welt, er konnte damit »schauen«, denn der Würfel war durchaus in der Lage, ihn vor Gefahren zu warnen.
Bloch hatte sich aufrecht hingesetzt, und er deponierte den Würfel auf seinen Oberschenkeln. Dort hatte er seinen idealen Platz gefunden.
Der Würfel hatte eine rötliche Farbe, und er war von den Seiten her nicht einsehbar.
Bloch streichelte ihn.
Die Wärme seiner Hände strahlte auf den Würfel über und gab sie wieder zurück, als sollte sie den Kontakt zwischen ihnen halten. Die Furcht des Abbé war verschwunden. Schon allein die Berührung gab ihm eine gewisse Sicherheit. Er mußte zudem Regeln einhalten, was ihm nicht schwerfiel, denn nichts deutete darauf hin, daß er in den folgenden Minuten gestört werden würde.
Deshalb schloß er die Augen und versuchte, sich in eine Trance
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