0865 - Auf ewig verflucht?
auch das zischende Geräusch, das entstand, als sich mein Kreuz in die Stirnhaut des Blutsaugers brannte.
Die ersten Knochen zerknirschten.
Rauch strömte in die Höhe. Er stank nach verbranntem Fleisch. Noch einmal lief ein Zucken über das ansonsten starre Gesicht, dann veränderten sich die Züge in die eines friedlich entschlafenden Menschen.
Dorani konnte es nicht fassen. Er schüttelte einige Male den Kopf, als er auf den erlösten Blutsauger niederschaute. Ich hatte das Kreuz wieder an mich genommen. »Gütiger Himmel, John, er… er löst sich nicht auf…?«
»Richtig.«
»Warum nicht?«
»Weil er nicht zu den alten Blutsaugern gehört. Er ist einfach noch zu frisch. So sieht die Lösung aus.«
»Aha.« Dorani fröstelte, und ich konnte mir ein Lächeln nicht verkneifen.
»Ich weiß, daß es brutal und hart ausgesehen haben muß. Aber glauben Sie mir, es war das Beste für ihn und auch für die Menschen, die ihm möglicherweise über den Weg gelaufen wären. Sein Durst nach Blut ist ungeheuer. Er hätte immer wieder Menschen angefallen und damit eine Kettenreaktion ausgelöst.«
»Meinen Sie?«
»Ich kenne mich da aus.«
Ernesto wischte durch sein Gesicht. Er spielte mit seinem schlichten Holzkreuz, das er ebenfalls aus der Tasche gezogen hatte. »Dann haben die Filmemacher und Autoren doch recht gehabt. Vampire fürchten sich vor dem Symbol der Erlösung.«
»Es ist für sie tödlich.«
Dorani schaute sich das Gesicht an. Wie eine Narbe, die nie vergehen würde, hatte sich das Kreuz in seiner Haut festgebrannt und sogar noch Stirnknochen zerstört. Auch weiterhin quollen dünne Rauchfäden aus dieser Wunde.
Als er den Blick schließlich abwendete, schüttelte er sich. »Und was tun wir?« fragte er.
»Wie meinen Sie das?«
»Gehen wir jetzt?«
Die Frage hatte sich angehört, als wäre sie nicht ernst gemeint gewesen. »Nein, wir werden nicht gehen. Daß dieser Matteo zu einem Vampir geworden ist, muß seinen Grund gehabt haben.«
»Und den finden wir hier?«
»Das hoffe ich.«
»Aber… aber dann müssen sich noch weitere dieser Geschöpfe hier im Haus aufhalten.«
»Keine Ahnung, Ernesto, wirklich nicht. Aber ich erinnere mich an die Worte des Blutsaugers. Er hat ja leider nicht viel gesagt, doch etwas sehr Wichtiges war dabei.«
»Was denn?«
»Gesicht!«
»Bitte?« Dorani hüstelte.
»Er hat von einem Gesicht gesprochen.«
Der junge Geistliche runzelte die Stirn. »Ja, das stimmt«, sagte er nach einer Weile des Nachdenkens. »Aber ich weiß nicht, was er damit meinte. Er kann an sein Gesicht gedacht haben.«
»Das glaube ich nicht«, erwiderte ich. »So eitel ist niemand. Schon gar nicht in einer derartigen Lage. Das Gesicht muß etwas mit seinem Zustand zu tun gehabt haben. Es ist für ihn so wichtig gewesen, daß er stets daran gedacht hat, auch noch, als er kurz vor seinem Ende stand.«
»Es ist ein Rätsel.«
»Wir werden sehen«, sagte ich, ging auf die Mitte der Halle zu und blieb dort stehen, drehte mich aber um die eigene Achse, weil ich nach diesem Gesicht oder einem Hinweis darauf suchte.
Ich rekapitulierte noch einmal, was wir nach unserem Eintritt erlebt hatten.
Der Blutsauger war aus einem bestimmten Raum hervorgekommen. Warum hatte er sich dort aufgehalten? Nur um sich zunächst vor uns zu verstecken und auf Beute zu warten?
Da stand die Frage, aber ich wußte die Antwort nicht, deshalb wollte ich mir diesen Raum gern genauer anschauen.
»Und was werden wir dort finden?« fragte der Priester, nachdem ich ihm die Sache erklärt hatte.
»Zumindest keine Fenster«, erwiderte ich, denn ich hatte die Tür bereits aufgestoßen.
Vor mir staute sich die Finsternis. Sie war wie ein schwarzer Backofen, in dem etwas lauerte, das zwar vorhanden war, aber von mir nicht erfaßt werden konnte.
Ich kam damit nicht zurecht.
»Haben Sie Probleme?« flüsterte Dorani dicht hinter mir.
»Im Prinzip nicht.«
»Stört es Sie, daß es in dem Raum keine Fenster gibt?«
»Nein. Im Gegenteil. Ich habe eher den Eindruck, direkt an der Quelle des Bösen zu stehen.«
»Was ist es dann?«
»Das kann ich Ihnen nicht sagen, Ernesto. Es kann an der Atmosphäre liegen. Jedenfalls werde ich mich hier einmal genauer umschauen. Bleiben Sie ruhig zurück.«
»Bene, mache ich.«
Schon beim ersten Schritt in das Zimmer hinein hatte ich meine kleine Leuchte aus der Tasche gezogen. Ihr weißgelber Strahl schnitt eine Furche in die Dunkelheit. Ich bewegte das Licht, es glitt nicht nur
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