0866 - Die Herrin der Raben
der Asche die heilige Kreuzpartikel unversehrt. Und das, obwohl das einschließende Kristallgefäß geborsten und alles Gold geschmolzen war. Schon Kaiserin Eleonora Gonzaga hat dies als Wunder empfunden und aus tiefer Dankbarkeit darüber den Sternkreuzorden gegründet.«
Der sichtlich beeindruckte Zisterzienser erwies der hochheiligen Reliquie seine Verehrung und verabschiedete sich dann. Die beiden Mönche gingen herzlich auseinander. Bruder Laurentius bot weitere Hilfe an, wenn diese vonnöten sei.
***
18. Dezember 1678, Hofburg Wien:
Theresia Maria saß nackt in ihrem geheimen Zauberzimmer. Sie räkelte sich auf dem magischen Kissen, das seit vielen Generationen von ihrer Mutter Seite her vererbt und in Ehren gehalten wurde. Ein Dutzend Raben umlagerte sie dicht. Die Augen der Tiere leuchteten in einem dämonischen Rot. Es wurde durch die geheimnisvolle Beleuchtung, die das Zimmer trotzdem in einem fast undurchdringlichen Dunkel hielt, hervorgerufen. Wände, Decke und Boden um das seltsame Ensemble herum erweckten den Eindruck eines finsteren, von teuflischen Kreaturen bewohnten Waldes. Sperrte Theresia Maria hier einen normalen Menschen ein, wurde dieser innerhalb einer einzigen Stunde wahnsinnig - wenn er nicht schon vorher starb. Beide Fälle hatte die Hexe schon hautnah miterlebt und dabei jedes Mal einen sexuellen Höhepunkt gehabt. Echte übrigens. Im Gegensatz zu denen, die sie Asmodis nur vorspielte.
Die Hexe lächelte geheimnisvoll. Sie dankte allen Teufeln, dass ihr der Fürst der Finsternis eine zweite Chance gab.
»Ich werde sie gut zu nutzen wissen«, sagte sie zu Burli, der auf ihrer Schulter saß. Wie immer nutzte sie den Raben als Alibipartner für ihre Selbstgespräche.
Die Hexe überlegte. »Was habe ich zu tun, um doch noch in den Orden aufgenommen zu werden? Eigentlich ganz simpel: Ich muss zur Heldin aufsteigen. Wie wäre es, wenn ich den gesamten Hof rettete? Zum Beispiel vor Tod und Verdammnis? Ja, das ist ein guter Gedanke. Doch hierzu werde ich Tod und Verdammnis zuerst einmal säen müssen. Das sollte mir jedoch nicht schwerfallen. O ja, Burli, ich habe da so einen Gedanken. Einen wahrhaft satanischen Gedanken. Asmodis wird zufrieden mit mir sein.«
Je länger sie darüber nachdachte, desto besser gefiel ihr diese Idee. Und so machte sich die Hexe schließlich an die Vorbereitungen, da sie umgehend zu handeln gedachte. Wer wusste schon, wann der Inquisitor ein neuerliches Mal erschien und dann vielleicht gar die Schergen der Folter mitbrachte. Das konnte auch für sie durchaus gefährlich werden.
Die Gräfin von Waldstein badete ihren Körper in einem Kräutersud, wie ihn nur richtige Hexen mischen konnten. Während sie in der Wanne saß und den Sud in ihre Haut einmassierte, dachte sie an ihren Vater. Sie würde ihn niemals vergessen; kein einziges der sechs glücklichen Jahre, die er sie auf seinen Knien geschaukelt und mit ihr gespielt hatte. Zärtlich und leidenschaftlich zugleich war der Kaiser dabei gewesen. Und auch in anderer Weise ihr großes Vorbild. Denn zu gerne hätte Theresia Maria so gezaubert, wie er es gekonnt hatte.
Kein Zweifel, Kaiser Ferdinand III. war der größte Magier der Welt gewesen. Seine Art zu zaubern hatte sich deutlich von der ihrer Mutter unterschieden. Sie war leichter gewesen, einfacher, mit ungleich größerer Wirkung. Ihr Vater hatte die Dinge aus sich selbst heraus bewirkt und nicht die Hilfe von Dämonen und anderen Wesen aus dem Zwielicht benötigt. Das eine oder andere Mal hatte sie ihn beim Zaubern beobachtet und das Gefühl gehabt, er könne die ganze Welt aus den Angeln heben. Dass dem auch tatsächlich so war, davon war sie felsenfest überzeugt.
Ihre Mutter, die ungleich mehr Aufwand betreiben musste, um die dunklen Kräfte zu beschwören und sich nutzbar zu machen, die sich dabei in Abhängigkeiten verhedderte, hatte ihr einmal erzählt, dass Ferdinand mit seinen Zauberkünsten nicht ganz unschuldig am Tode Wallensteins gewesen sei. Und auch die Schlacht bei Nördlingen, die Ferdinand 1634 mit den Generälen Gallas und Piccolomini erfolgreich geschlagen und dadurch die Schweden aus Süddeutschland vertrieben hatte, war ein wenig auf des Kaisers Zaubereien zurückzuführen.
Theresia Maria seufzte leise. Der Gedanke an den Vater bescherte ihr eine Menge angenehmer Gefühle. Und einige traurige. Warum nur war er so früh in die Kiste gefahren? Und warum hatte er ihr strengstens verboten, seine Art des Zauberns zu erlernen? Nur
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