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0866 - Rattennacht

0866 - Rattennacht

Titel: 0866 - Rattennacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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als Ratte existiert zu haben. Alles war möglich, alles…
    ***
    Absalom ging weiter. Diesmal gebückt. Er drückte sich bis zum Ende der Gasse durch, wo er über einen leeren Platz ging, auf dem sich der Müll stapelte und ein besonderer Anziehungspunkt für Schmeißfliegen war. Sie umsummten den Müllhaufen in dichten Schwärmen. Zittrige Wolken, widerlich und eklig.
    Endlich erreichte er den Friedhof.
    Absalom hatte seine Schleichwege, über die er in das Areal gelangte. Der Abend war längst angebrochen. Der Himmel zeigte sich nur etwas dunkler. Als hätte jemand kurz über die Bläue des Tages mit einer grauen Farbe hinweggestrichen.
    Es herrschte eine ungewöhnliche Ruhe, wie sie eigentlich normal war für den Ausklang des Tages. Da spürte man, daß auch der Friedhof dabei war, sich der einzigartigen Stille hinzugeben.
    Der Mann blieb an der hohen Mauer stehen. Vor ihm wuchsen dichte Büsche. Er saugte den Geruch des Friedhofs auf. Seine Nase war sehr empfindlich. Er hatte den Eindruck, als wäre der Wind noch dabei, den Schweißgeruch der Besucher zu vertreiben. In den Kronen der Bäume bewegte er die Blätter und schickte so eine leise rauschende Melodie über das große Areal hinweg.
    Die prächtigen Grabstätten der prominenten Toten standen dort wie kleine Festungen. Es waren ja nicht nur simple Gräber. Jeder Grabplatz glich schon einem Kunstwerk, und jemand hatte diesen Friedhof mal als eine besondere Stadt bezeichnet. Eine Stadt der Toten, deren Geister sich in den Grabhäusern sehr wohl bewegten und sie in Besitz genommen hatten, wie Lebende ein normales Haus.
    Da gab es Türen, die zu den Gruften führten, es gab Treppen und kleine Plateaus. Jedes Grab besaß einen besonderen morbiden Charme, was Besucher natürlich sehr anrührte, von Absalom aber übersehen wurde. Für ihn war der Friedhof kein Ort des Besuches mehr, er war mittlerweile zu seiner Heimat geworden.
    Er verließ seine Deckung und schritt über einen gepflasterten Weg dahin. Stimmen wehten ihm entgegen. Er hob den Kopf. Ihm kam eine Gruppe Touristen entgegen, angeführt von einem Führer, der den Touristen alles erklärte.
    Absalom drückte sich an den Menschen vorbei, die ihm scheue Blicke zuwarfen. Sie sahen aus, als würden sie sich vor ihm fürchten. Er mußte wirken wie jemand, der soeben sein Grab verlassen hatte.
    Er grinste kalt.
    Die Menschen blieben hinter ihm zurück. Der Friedhof gehörte ihm und seinen Ratten.
    Er wandte sich in südliche Richtung, denn sein Ziel lag an einer bestimmten Stelle des Friedhofs.
    Dieser Teil nannte sich ANCIENNE SÉPARATION DU CIMETIÉRE ISRAÉLITE. Es war der jüdische Friedhof, und Absalom erinnerte sich daran, daß sein Name ebenfalls jüdisch war.
    Alttestamentarisch.
    Seltsam, aber dieser Begriff kam ihm zum erstenmal in den Sinn. Mit Religion, egal welcher Art, hatte er bisher nie viel am Hut gehabt. Nicht, daß er sich darum nicht bewußt gekümmert hätte, es interessierte ihn einfach nicht.
    Was war schon Religion?
    Für ihn zumindest ein unbeschriebenes Blatt, und so sollte es auch bleiben.
    Wozu hatte er seine Ratten?
    Absalom beeilte sich jetzt. Er wollte seine Freunde so rasch wie möglich erreichen, benutzte aber nicht die breiten Straßen und Wege, sondern ging quer über die Grabstätten, wobei er stets darauf achtete, immer eine gewisse Deckung zu haben. Er hatte zwar keine anderen Menschen mehr gesehen, der Friedhof war inzwischen offiziell für Besucher geschlossen, aber irgendwelche Typen trieben sich immer herum, und er rechnete auch damit, wieder auf die beiden Chinesen zu treffen, denn die hatten sich einmal an seine Fersen geheftet und waren wie Leim.
    Bei der dritten Begegnung allerdings würden sie ihm nicht mehr entwischen, das stand für ihn fest.
    Da war er in seinem Areal, da hatte er zu seinem Schutz die Ratten.
    Die Dämmerung hatte schon ihre Schatten geschickt, als er den jüdischen Teil des Friedhofs erreichte, wo die Gruft der Rothschilds besonders hervorstach.
    Dort blieb er nicht, denn es gab eine kleine Ecke auf dem Friedhof, die kaum einsehbar war. Dort wuchs viel Gestrüpp, da waren Gräber ausgehoben worden, und die Erdhügel bildeten gewisse Grenzen.
    Absalom lächelte. Seine trüben Gedanken verschwanden. Das hier war ein Stück Heimat für ihn.
    Zum erstenmal fühlte er sich wieder wohl und konnte durchatmen. Er schaute zu Boden und sah an einigen Stellen die Gebeine liegen. Arme, Beinknochen, auch Schädel mit leeren Augen- und Mundhöhlen. Er

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