Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
0867 - Die Pesthexe von Wien

0867 - Die Pesthexe von Wien

Titel: 0867 - Die Pesthexe von Wien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Schwarz
Vom Netzwerk:
ist denn das?«, flüsterte Bruder Franziskus plötzlich und zog Abraham a Sancta Clara an der Kutte. Der bemerkte es im selben Moment.
    »Nein, das darf doch nicht wahr sein…«
    ***
    Gegenwart:
    Theresia Maria von Waldstein brauchte nicht lange, um sich an die moderne Zeit zu gewöhnen. Unglaublich, was aus Wien geworden war. Überwältigend geradezu. Und schön. Aber das interessierte sie nur am Rande. Denn wenn sie mit ihrer Mission fertig war, würde die Metropole eine Geisterstadt sein, in der der Tod seine schlimmsten Fratzen zeigte.
    Die Hexe stand in einer der roten Gondeln des Riesenrades, die wie alte Eisenbahnwaggons aussahen, eingekeilt zwischen amerikanischen und deutschen Touristen, und blickte über den Prater hinweg. Sie lachte leise und hämisch. Unter ihr erstreckte sich der Vergnügungspark mit seinen bunten Bahnen und Buden. Dahinter, nur durch einen breiten Baumgürtel getrennt, breitete sich die Stadt wie ein Meer aus. Das Beste aber waren die vielen Menschen, die hier lebten. So viele, dass man damit zu ihrer Zeit zehn Städte hätte füllen können.
    Gut so! Das würde der Hölle innerhalb kürzester Zeit viele hunderttausend Seelen bescheren. Dann würde Asmodis gar nicht mehr anders können, als sie endlich zur Dämonin zu erheben. Dies war schon immer ihr Ziel gewesen. Davon ließ sie nicht ab. Und niemand würde sie daran hindern können. Schon gar nicht dieser Trottel von Dämonenjäger und seine zugegebenermaßen schöne Gespielin.
    »Schau mal, Mami. Bei der Frau raucht's ja aus dem Ausschnitt.« Ein etwa sechsjähriges Gör stand direkt neben der Hexe und krallte sich an die Haltestange. Mit großen Augen starrte sie auf den schwarzen Nebel, der aus dem offenherzigen Dekolletee quoll. Theresia Maria befand sich plötzlich im Fokus ungeteilter Aufmerksamkeit.
    Die Hexe sah böse in die Runde. Der schwarze Nebel quoll unvermindert aus ihrem Ausschnitt, kroch unter der Decke entlang und verteilte sich langsam in der Kabine.
    »Was soll das? Was machen Sie da?«, beschwerte sich ein vierschrötiger, deutscher Mann und sah sie drohend an. Eine Frau begann zu husten, eine andere wedelte den Nebel mit hektischen Bewegungen weg. Unruhe machte sich unter den fünfzehn dicht an dicht stehenden Menschen breit.
    »Starrt mich nicht so an, ihr Idioten«, zischte Theresia Maria. »Ihr seid bereits alle tot. Wollt ihr noch was sehen, bevor ihr zur Hölle fahrt? Ja? Also gut.« Sie riss ihren schwarzen Pelzmantel auf und rammte dabei den Mann links neben ihr mit dem Ellenbogen. Der Kerl schrie empört auf. Er ächzte gleich darauf genauso wie die anderen, denn unter dem Mantel präsentierte sich die Hexe vollkommen nackt. Lediglich um ihre Hüften ringelte sich eine tiefschwarze, schmale Schlange, die die Funktion eines Gürtels erfüllte und den Pestkelch hielt. Aus diesem wallten die tödlichen Nebel nun verstärkt hervor und füllten die ganze Kabine aus.
    Der Schlangenkopf zuckte vor und biss den Mann in die Hand. Er schrie. Andere stimmten ein. Die Unruhe wandelte sich schlagartig in Panik. Kinder weinten. Erwachsene schlugen um sich, drückten, wollten aus der Gondel hinaus und konnten nicht. Die Hexe schon.
    Schrill lachend schlug sie die Scheiben ein. Dann ging sie leicht in die Knie. Mit einem wahren Panthersatz hechtete sie durch die Öffnung, als die Gondel am höchsten stand. Unter ihr gähnte der siebenundsechzig Meter tiefe Abgrund. Es focht sie nicht an. Im Fallen packte sie ein hervorstehendes Teil der Stahlkonstruktion und schwang sich elegant auf eine Querstrebe. Dort stand sie aufrecht und stolz, der Pestkelch in die Luft gereckt. Raben kamen von überallher geflogen und setzten sich rund um sie her auf die Verstrebungen. Der schwarze Nebel drehte sich wie ein Fanal in die kühle Luft. So mancher glaubte, in dem Wallen eine überaus hässliche dämonische Fratze zu erkennen.
    Zwanzig Meter über Grund sprang die Hexe plötzlich, vom allgemeinen Aufschrei der zusammengelaufenen Menge begleitet, die vom Boden aus das Schauspiel verfolgte. Elegant kam sie auf, federte kurz in den Knien ab und rannte quer durch den Vergnügungspark. Als die Polizei eintraf, war sie längst in den weitläufigen Anlagen des Praters verschwunden. Auch die schwarzen Nebel hatten sich längst aufgelöst. So sah es jedenfalls aus.
    ***
    »Das wagt er nicht. Sie bluffen nur.« Nicole ballte unwillkürlich die Fäuste. Gebannt starrte sie in den strahlend blauen Himmel über Wien. Ein Kleinflugzeug versuchte

Weitere Kostenlose Bücher