0868 - Die Toten-Krypta
wahrer und einziger Freund, nicht sie.«
Zebulon hatte die Worte verstanden. Aber er reagierte auf seine Art. Er klappte das Sichtvisier in die Höhe, so daß wir sein Gesicht erkennen konnten.
Er hatte sich zwar äußerlich verändert, doch nur, was seinen Aufzug anging. Ansonsten sah er aus wie Barry F. Bracht, nur waren die Züge und Umrisse in seinem Gesicht vielleicht härter geworden, auch markanter und kämpferischer.
Wir wußten nicht genau, was er war. Gut, er war ein Mensch, zumindest sah er wie ein Mensch aus, aber gleichzeitig gehörte er auch zu den Personen, wie man sie eigentlich nur aus Filmen oder Romanen kannte.
Ein Geschöpf anderer, magischer Kräfte. In ihm hatten Träume Gestalt angenommen, er war also eine fleischgewordene Traumgestalt und gleichzeitig ein Wunschtraum.
Emily sprach weiter. Es waren böse Worte, die sie sagte. »Du wirst sie töten, nicht wahr? Du wirst diese Leute hier töten. Es sind nicht meine Freunde, auch wenn sie es behaupten. Du bist mein Freund, Zebulon, der einzige, den ich habe.«
Ich blickte ihm in die Augen. Ich sah auch die nachdenklich gerunzelte Stirn und verstand die Botschaft, die mir seine Augen zusandten. Bitte, halte dich heraus. Laß mich das machen. Ich werde es schon schaffen. Ich werde alles richten.
Mit einem Nicken deutete ich mein Einverständnis an.
Zebulon drückte das Mädchen von sich weg. Trotzdem hielt es seine Hand. »Wir werden uns jetzt setzen«, sagte er. »Komm mit mir und berichte mir alles.«
»Du bist mein Freund! Du mußt sie erst töten!« Emily ließ nicht locker. »Nur dann geht es uns gut.«
»Ich bin jetzt bei dir. Also geht es dir gut.«
»Das stimmt.«
Er drückte sie auf das Bett. Steif blieb sie auf der Kante sitzen. »Und was das Töten angeht, wir werden sehen, wie sich alles entwickelt zwischen uns.«
»Gut, ich vertraue dir. Du hast mich noch nie enttäuscht.«
»Dann wirst du auch wissen, daß ich kein Freund des Tötens bin. Oder hast du das vergessen?«
»Nein.«
»Eben.«
Auch Zebulon nahm Platz. Er bewegte seinen Kopf in Richtung Tür. Wir drei verstanden das Zeichen und verließen das Zimmer. Von Emily wurde dies kommentarlos akzeptiert.. Sie drängte ihren Freund nicht, uns aufzuhalten oder uns das Leben zu nehmen. Diesmal war es ihr egal.
Im Flur draußen zog ich die Tür zu. Ließ sie aber spaltbreit offen, um verstehen zu können, was die beiden miteinander sprachen. Es konnte sehr wichtig sein, denn wir trauten Zebulon zu, daß er uns auf die richtige Fährte brachte, denn im Hintergrund lauerte noch immer eine große Unbekannte.
Ich hatte den Namen La Luna gehört. Noch war diese Person nicht in Erscheinung getreten, doch ich wurde einfach die Gewißheit nicht los, daß Zebulon mehr von ihr wußte, und ich hoffte, daß er auch mit seiner Freundin darüber sprach.
»Du hast es wieder getan, nicht wahr?« fragte er sie. Er sprach zum Glück so laut, daß wir ihn verstanden.
»Ja…«
»Warum?«
»Ich mußte es tun…«
»Hatte ich dir nicht geraten, es nicht mehr zu machen? Wenn du mich als deinen Freund ansiehst, dann hast du mich jetzt enttäuscht. Es sollte niemand mehr sterben.«
»Das wollte ich auch nicht.«
»Aber?«
Wir hörten Emily seufzen. »Das andere war stärker in mir. Ja, es war stärker, viel stärker. Es war eine große Macht, es war ein gewaltiger Schrecken, gegen den ich nicht ankonnte. Warum begreifst du das nicht? Ich bin nicht ich… Ich habe alles versucht. Ich wollte meine Feinde nicht mehr bei mir haben. Ich wollte, daß sie durch eine Figur von mir getötet wurden…«
»Das ist der falsche Weg, Kind.«
Eine kurze Pause. Dann: »Ja, du hast recht. Du hast ja so schrecklich recht, glaube ich. Aber… aber die andere Kraft ist stärker. Sie ist wie ein Monster, das in mir klebt. Immer wieder kriecht sie in mir hoch. Sie dringt in meinen Kopf ein, und sie erklärt mir, was ich tun soll. Ich gehorche dann.«
»Das solltest du aber nicht. Darüber haben wir gesprochen, Emily.« In Zebulons Stimme klang nicht die Spur eines Vorwurfs mit.
»Das weiß ich ja.«
»Und doch hast du es getan.«
»Stimmt.«
»Konntest du nicht anders?« Der Schattenkrieger baute ihr eine goldene Brücke.
»Sie hat mir doch geholfen. Sie hat sich… ich…« Emily suchte nach den passenden Worten. »Nicht nur du bist mir in meinen Träumen begegnet, auch sie. Und sie hat mich ausgesucht. Ich kann nur durch sie so malen, das habe ich dir gesagt.«
»Stimmt, meine Liebe. Aber ich
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