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087 - Der sentimentale Mr. Simpson

087 - Der sentimentale Mr. Simpson

Titel: 087 - Der sentimentale Mr. Simpson Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edgar Wallace
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beiseite.
    »Ich habe über unser Gespräch von gestern abend nachgedacht«, sagte er. »Gehen wir spazieren?«
    »Sie meinen das System?« fragte sie schnell.
    Er nickte.
    »Sie wollen es verkaufen?«
    »Nein, ich schenke es Ihnen«, erwiderte er. »Ich habe mich entschlossen, Monte Carlo morgen zu verlassen. Alles, was Sie über mich gehört haben, ist wahr. Ich bin ein sehr reicher Mann und habe es nicht mehr nötig, zu spielen. Sie müssen mir aber zuerst versprechen, daß Sie mein Geheimnis nicht lüften, bis ich Monte Carlo verlassen habe.«
    »Ich verspreche es«, sagte sie, »aber -«
    »Es darf kein ›aber‹ geben«, unterbrach er sie. »Auch nicht zugunsten Mr. Gardners!«
    Als ihr das Blut ins Gesicht schoß, lächelte er. Er hakte sich bei ihr unter, schlenderte den Spazierweg entlang und erklärte ihr sein System.
    Anfangs vermochte sie es nicht zu fassen. Dann empfand sie Widerwillen. Je mehr er jedoch in seiner ruhigen, gelassenen Weise von seinen Erfahrungen in Monte Carlo berichtete, desto klarer wurde ihr, daß er davon sprach wie ein Arzt über seine Fälle, sachlich und überlegen. Sie reichte ihm plötzlich die Hand.
    »Ich bin Ihnen wirklich unendlich dankbar, Mr. Twyford. Ich werde weder Bobby noch irgendeinem anderen Menschen davon erzählen!«
    »Sie können sich heute abend selbst von allem überzeugen«, wiederholte er. - Sie neigte den Kopf.
    Als er sie zu den beiden anderen zurückbrachte, sagte er plötzlich: »Miss Radley, Bobby Gardner ist ein sehr netter Junge. Ich beobachte ihn schon seit längerer Zeit.« »Warum sagen Sie mir das, Mr. Twyford?« fragte sie.
    »Es ist eigentlich ganz unnötig«, stimmte er zu. »Sie wissen es ja selbst am besten.«
    Der Trente-et-Quarante-Tisch war umlagert, als Twyford seinen Platz einnahm. Bobby legte sein bescheidenes Vermögen vor sich auf den Tisch und nickte Twyford zu. Dann begann das Spiel. Bobby setzte tausend Francs und gewann. Er steigerte den Einsatz und gewann wieder.
    Bei fünfzehn Spielen verlor er nur dreimal. Twyford erhob sich plötzlich, steckte den Rest seines Geldes ein und verließ den Spieltisch. Aus einiger Entfernung beobachtete er Bobby, der beinahe ständig gewann, bis ihm das Mädchen etwas ins Ohr flüsterte. Unverzüglich stand er auf, beide Hände voll Banknoten und Chips.
    Twyford saß lächelnd auf einer Bank und winkte die beiden herbei, hatte aber nur Augen für das Mädchen.
    »Setzen Sie sich hierher«, sagte er. »Ich möchte eine Frage stellen.« Er drohte Miss Radley mit dem Zeigefinger, und sie lachte. »Ich frage Sie nicht, ob Sie Bobby Gardner mein Geheimnis verraten haben«, meinte er.
    »Das hatte ich erwartet«, erwiderte sie überrascht.
    »Mich interessiert etwas anderes. Haben Sie sich inzwischen mit Bobby verlobt?«
    Sie nickte.
    »Das ist also die Erklärung«, sagte er.
    Er stand auf und gab beiden die Hand. Dann verließ er den Spielsaal, für immer.
    »Weißt du«, begann das Mädchen, »Mr. Twyford war ein großartiger Psychologe.«
    »Willst du damit sagen, daß er dir sein System verraten hat, bevor er ging?« fragte Bobby ungläubig.
    Sie nickte.
    »Weißt du übrigens, daß er nahezu zweihunderttausend Francs verloren hat?«
    Sie nickte wieder.
    »Damit hatte ich gerechnet«, meinte sie, »aber ich glaube nicht, daß ihm das sehr viel ausmachen wird.«
    »Worin bestand sein System?« fragte Bobby.
    »Das wollte ich dir ja eben erklären«, sagte Miss Radley streng. »Er hat die Leute in Monte Carlo, also die Spieler, acht Jahre lang studiert, und er entdeckte, daß es Umstände gibt, unter denen ein Spieler nicht gewinnen kann. Wenn jemand Sorgen hat und ständig verliert, wenn er es sich nicht leisten kann zu verlieren; wenn er sich an den Tisch setzt, weil er einfach gewinnen muß, dann wußte Mr. Twyford, daß dieser Mensch sein ganzes Geld hierlassen würde. Er machte sich die Mühe, herauszufinden, wer von den Spielern Sorgen hatte, wer unbedingt Geld brauchte, wer mit den letzten Einsätzen spielte - und er setzte dagegen. Wenn diese Leute auf Rot setzten, spielte er Schwarz. Wenn sie Couleur spielten, setzte er auf Invers.«
    »Du lieber Gott!« sagte Bobby verblüfft. »Aber ist das nicht unfair?«
    »Das habe ich ihn auch gefragt«, sagte Miss Radley, »aber er konnte mich vom Gegenteil überzeugen. Schließlich hat er nicht anderen Leuten Pech gebracht, sondern sich vom Pech der anderen zu seinem Vorteil leiten lassen. Manchmal verspielte irgendein Pechvogel nur ein paar tausend

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