0872 - Der Templer-Friedhof
Leichenbestatter hatten ihre Arbeit beendet. Dabei hatten sie uns die Rücken zugedreht.
Als sie nun zu ihrem Karren gingen, konnten wir sie von vorn sehen und erkannten, daß es schon schaurige Gestalten waren, die in jeden mittelalterlichen Folterfilm gepaßt hätten.
Sie waren groß, bärtig und in Lumpen gekleidet. Ihr Haar war üppig und ungepflegt. Während sie gingen, rieben sie ihre Hände an den Hosen ab.
Sie wurden durch Stricke an den Hüften gehalten. Waffen waren an ihnen nicht zu sehen, abgesehen von den beiden Peitschen, die auf dem Karren lagen. Das Pferd war noch immererschöpft. Es stand mit hängenden Kopf auf der Stelle, seine Flanken zitterten, sicherlich brauchte es Wasser, das aber gab es hier nicht.
»Was hast du mit den beiden vor?« fragte der Abbé.
»Im Prinzip nichts.«
»Tatsächlich nicht?«
»Wir sollten uns den Karren besorgen.«
»Ungern.«
»Siehst du eine bessere Chance?«
»Nein. Ich denke nur an das, was auf dem Karren transportiert worden ist.«
»Das schalte mal aus.«
»Ich werde es versuchen.«
Lange durften wir nicht mehr warten, denn beide wollten den Totenacker so rasch wie möglich verlassen. Sie trafen bereits Anstalten, auf den Karren zu klettern, als ich mich aus der Deckung löste und auf sie zuging. Zuerst sahen sie mich nicht, dann aber hörten sie mein Räuspern und den leisen Ruf.
Sie drehten sich um - und schrieen!
***
Mit dieser Reaktion hatte selbst ich nicht gerechnet. Es gab für die beiden keinen Grund, dermaßen in Panik zu geraten. Vielleicht hatten sie auch gedacht, daß plötzlich zwei tote Körper wieder aus den Gräbern gekrochen waren, denn auch den Abbé hatte nichts mehr in der Deckung des Hügels gehalten.
Auf diesem Stück Land gab es keine Lebenden mehr, ausgenommen die beiden Leichenkutscher.
Sie mochten abgebrühte Mörder sein, aber unser Anblick hatte ihnen zunächst die Sprache verschlagen. Ihr Schreien war verstummt, jetzt standen sie wie die Ölgötzen da und glotzten uns aus trüben und feuchten Augen an.
In einer für mich günstigen Entfernung blieb ich stehen. Ich konnte diese beiden sogar riechen, denn in ihren Lumpen hatte sich der Gestank der Leichen eingenistet.
Ich wollte noch warten und sie erst einmal zur Ruhe kommen lassen. Wir waren völlig anders gekleidet, zumindest ich, denn der Abbé trug eine Kutte, und die hatte es sicherlich auch in dieser Zeit schon als Kleidungsstück gegeben.
Beide schluckten, beide suchten erstaunt nach Worten, schauten sich an, und der etwas größere von ihnen, es war der mit der Hakennase, sprach mich an.
Ich schüttelte den Kopf. Der Kerl redete lauter. Ich grinste.
Das machte ihn wütend. Er schrie seinem Kumpan etwas zu, dann drehte er sich und griff nach der Peitsche. Mit einem fauchenden Laut sauste das Leder durch die Luft, als die Peitsche herumschwang, dabei aber noch nicht nach mir zielte.
Der zweite Schlag wischte auf mich zu - und daneben, denn ich hatte mich blitzartig geduckt. Über mir knallte die Peitsche zusammen, sie wurde wieder zurückgezogen, und dann war ich schneller.
Ich kriegte das glatte Leder zu fassen, wickelte es gedankenschnell zweimal um mein Handgelenk, und plötzlich geriet der Peitschenschwinger in Bedrängnis, als er den harten Zug spürte, mit dem er auf mich zugerissen wurde.
Er hielt den kurzen Griff fest, was ein Fehler war, denn so lief er genau in meine Linke hinein.
Der Hammer erwischte ihn irgendwo im Bartgestrüpp. Der Mann fiel auf den Rücken und blieb liegen.
Sein Kumpan hatte zugeschaut. Er schaute auch noch zu, wie ich die Peitsche an mich nahm, dann aber kam Bewegung in ihn, denn er griff nach der Schaufel.
Er schrie sich selbst Mut zu, als er die zweckentfremdete Waffe über seinen Kopf schwang und dabei zu einem Drehschlag ansetzte. Bevor er mir das Ding um die Ohren hauen konnte, hatte ich schon reagiert. Ich wußte, wie man mit einer Peitsche umzugehen hatte, denn oft genug hatte ich mich mit Sukos Dämonenpeitsche wehren müssen. Hier war es nicht viel anders. Ich schleuderte ihm den dunklen, fettig glänzenden Riemen entgegen. Im Gegensatz zu ihm traf ich. Die Peitsche wickelte sich um seine Arme und fesselte ihn.
Ich zerrte.
Er taumelte und fiel. Die Schaufel blieb dabei mit ihrem Unterteil im weichen Boden stecken.
Der Mann aber rollte sich herum. Er war es nicht gewohnt, aufzugeben. Als er aufstand und seine Finger dabei in den weichen Dreck steckte, war ich schon bei ihm.
Der Tritt schleuderte ihn zurück.
Weitere Kostenlose Bücher