0872 - Der Templer-Friedhof
das Glück nicht immer treu bleibt.«
»Das weiß ich selbst…«
***
Wir verhielten uns wie die berühmten Diebe in der Nacht. Da uns die Zeit nicht im Nacken saß, konnten wir einen großen Bogen schlagen und die Stellen meiden, die vom Widerschein des Feuers erhellt wurden. Da war die Dunkelheit unterbrochen worden, da huschte ein Spiel aus Licht und Schatten über den Boden, da sah die dunkle Erde aus, als würde aus ihrer Tiefe ein unheimliches Leben kriechen.
Man feierte nicht, aber man war aufgekratzt. Die Stimmen klangen unserer Meinung nach überlaut.
Hin und wieder wurde gelacht. Manchmal klirrten auch Waffen, und wir gerieten an eine sehr dunkle Stelle, von der aus uns ein übler Gestank entgegenwehte. Nicht weit entfernt erledigten die Menschen ihre Notdurft, zwei waren gerade dabei, es zu tun. Sie unterhielten sich, lachten und rülpsten.
Wir wichen ihnen so gut wie möglich aus und gelangten in eine schmale Gasse zwischen kleineren Zelten. Hier war es finster. Kein Feuerschein drang hinein. Wir rochen die fremden Gewürze und blieben plötzlich stehen, weil zwei Männer aus einem Zelt getreten waren. Sie trugen die große, mit Essen gefüllte Pfanne zwischen sich und schleppten sie zu einem der Feuer.
»Wenn sie essen, sind sie abgelenkt«, sagte ich.
Der Abbé nickte. »Wenn ich nur wüßte, wen und was wir hier eigentlich suchen.«
»Das silberne Skelett.«
»Schön. Und was ist mit dem Prinzen?«
»Wenn uns Mleh über den Weg läuft, um so besser.«
»Willst du ihn…?«
»Wie ist er denn gestorben?«
»Das weiß ich auch nicht. Vielleicht hat ihn ja jemand getötet, der aus der Zukunft kam.«
Ich mußte lachen, sorgte aber dafür, daß dies kaum zu hören war. Das Leben im Lager spielte sich sowieso nahe des Feuers ab. Ich war davon überzeugt, daß wir dort den Anführer dieses wilden Haufens finden würden. Für mich war das der armenische Prinz Mleh, ein ehemaliger Templer und Verräter.
Die beiden Männer, die die Pfanne zum Feuer getragen hatten, kehrten vorerst nicht zurück, was uns wiederum die Gelegenheit gab, näher heranzuschleichen.
Das Feuer war der Mittelpunkt. Dort versammelten sie sich. Da würden wir den besten Überblick haben, liefen aber auch Gefahr, selbst entdeckt werden.
Frauen befanden sich nicht im Lager. Wir hatten bisher nur Soldaten gesehen, die von den Christen als Heiden bezeichnet wurden, während die Muselmanen die Christen wiederum als Ungläubige ansahen.
Es war auch in den tieferen Schattenregionen der Zelte nie ruhig. Immer wieder mußten wir damit rechnen, daß Gestalten die Unterkünfte verließen, und besonders riskant wurde es für uns in der Nähe des großen Zelts. Die Feuer loderten und schickten ihr Licht in die Dunkelheit. Die Stimmen waren lauter geworden, und wir hörten nicht nur die der Muselmanen, auch andere Laute waren zu vernehmen, und die wollten mir gar nicht gefallen.
War es ein Schreien oder Stöhnen? Hatte ich mal das Klatschen einer Peitsche gehört?
Immerhin durften wir nicht vergessen, daß es welche gegeben hatte, die Tote zu dem alten Friedhof schafften. Aber eine Schlacht hatte hier nicht stattgefunden, dann hätte die Umgebung anders ausgesehen, dieses Lager mußte eine andere Funktion haben. Meine Phantasie ging auf Wanderschaft, so daß ich allmählich dem Grund der Funktion nahe kam. Es war durchaus möglich, daß wir uns in einem Lager befanden, das als Hinrichtungsstätte eingerichtet worden war, und das wollte mir überhaupt nicht gefallen. Zwar hatten wir nichts gesehen, was darauf hinwies, aber wir hatten noch nicht das Zentrum erreicht, trotzdem waren wir näher herangekommen. Es gab zwischen den Zelten einen breiteren Zugang, den wir natürlich nicht nehmen konnten, denn wir wären sofort entdeckt worden.
Am Ende des Gangs, wo der Platz vor dem großen Zelt begann, standen die Krieger oder Soldaten dicht zusammen. Einige saßen auch, und vom Feuer her drang nicht nur der Geruch verkohlter Holzscheite zu uns hin, auch das Essen rochen wir. Wahrscheinlich hing die Pfanne über den Flammen.
Der Abbé war immer an meiner Seite geblieben. Mit der linken Hand deutete ich einen Halbkreis an, sah Blochs Nicken, und dann huschten wir wieder weg.
Fort aus dem flackernden Licht und hinein in die tiefen Schatten der Nacht.
Diesmal gab es keine Deckung. Hier wuchsen weder Bäume noch Sträucher, wir hatten das Ende dieses Lagerplatzes erreicht und damit auch das Ende des furchtbaren Bodens.
Wieder mußten wir zu
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