0872 - Der Templer-Friedhof
wie vor wie die Ölgötzen auf der Stelle. Sie mußten mich für einen Geist halten, den der Himmel oder die Hölle geschickt hatte. Trotz ihrer Waffen waren sie völlig durcheinander - und wurden es noch mehr, als sich der Abbé aus seiner Deckung löste und mit gezogener Waffe quer über den Platz ging. Er hielt den Revolver in der rechten Hand, den Beutesäbel hatte er in die linke genommen, und ich wußte auch, was er vorhatte, denn er schlug einen Bogen und näherte sich den gefangenen Templern.
»Ich werde sie befreien, John!«
»Tu das!«
Ich hoffte nur, daß mein Freund die Nerven behielt. Seine Stimme hatte zwar ruhig geklungen, aber das leichte Zittern war für mich doch nicht zu überhören gewesen. Er, der friedliche Mensch, stand unter einem wahnsinnigen Druck. Was er in den nächsten Minuten vorhatte, das war einfach zu neu für ihn.
Hinter dem Pfahl an der linken Seite blieb er stehen. Ich sah nicht, was er tat, weil ich es mir einfach nicht erlauben konnte, den Blick zu wenden. Ich mußte die Muselmanen im Auge behalten. Hatten sie erst ihre Überraschung verdaut, würden sie eingreifen. Schließlich waren sie in der Überzahl.
Noch aber taten sie nichts. Doch Mleh hatte sich wieder gefangen. Er sprach aus trockener Kehle.
Es waren mehr Laute als Worte, so daß ich den Druck um seinen Hals etwas lockerte. Jetzt konnte er besser reden. Seine erste Frage bewies mir, daß er die Überraschung noch immer nicht verdaut hatte.
»Wer bist du? Ein Magier? Ein mächtiger Zauberer? Ein Dämon aus einer fremden Welt?«
»Nur ein Mensch!«
Er konnte es nicht glauben. »Du hast etwas in der Hand, das töten kann.«
»Stimmt.«
»Was ist es?«
Ich lachte leise. »Es ist eine Pistole. Du kennst sie nicht, du wirst sie auch nie kennenlernen, von dieser einen Ausnahme einmal abgesehen.«
»Ich will sie haben.«
»Nein!«
Ich hörte einen dumpfen Aufprall. Dem Abbé war es gelungen, beim ersten Gefangenen die Stricke zu lösen. Am Pfahl entlang war der Mann zu Boden gerutscht und hatte sich dort zusammengedrückt. Bloch kümmerte sich um den zweiten. Ich konnte nur hoffen, daß uns genügend Zeit blieb, alle Gefangenen zu befreien, aber es sah leider nicht so aus, denn die Soldaten wurden allmählich unruhig. Hier und da reflektierte Waffenstahl das Feuer, wenn sie ihre Säbel oder Schwerter bewegten.
Das gefiel mir überhaupt nicht. Ich warnte ihren Anführer. »Sag ihnen, daß sie nichts unternehmen sollen. Merke ich es, dann werde ich dich töten.«
»Wer bist du?«
»Sag es ihnen!«
Er wollte es nicht, er mußte sich beweisen, und er schrie seinem zweiten Folterknecht etwas zu, denn dieser Mann hatte sich mit zwei Schwertern bewaffnet. Er fühlte sich dazu ausersehen, seinen Herrn zu retten. Schreiend und die beiden Krummschwerter schwingend, rannte er auf uns zu und hatte trotzdem nichts gelernt.
Meine Kugel war schneller.
Das zweibeinige Untier wurde im vollen Lauf getroffen. Ich hatte ihn trotz seiner Grausamkeit nicht töten wollen, hatte die Waffe nur für die Dauer des Schusses von der Stirn des Prinzen weggenommen und geschossen.
Das Zielen war mir nicht groß möglich gewesen. Da ich aber tiefer gehalten hatte, war die Kugel nicht in den Kopf oder die Brust des Folterknechts geschlagen, sondern steckte tiefer. Irgendwo zwischen Rippe, Hüfte und Magen.
Der Mann brüllte. Aus dem wilden Lauf heraus rutschte er aus, fiel auf den Boden und überschlug sich. Seine Waffen verlor er, bevor er wimmernd liegenblieb und beide Hände auf die Wunde preßte, aus der das Blut rann.
Wieder hatte ich bewiesen, wozu ich fähig war, und ein abermaliger Schock hatte die Soldaten getroffen. Sie waren zwar nicht völlig aus dem Häuschen, aber sie wußten nicht, wie sie sich verhalten sollten. Wie die Kinder riefen und sprachen sie durcheinander. Sie redeten in ihrer Sprache, so daß ich nichts verstehen konnte. Gegenseitig schauten sie sich an, aber es gab niemand, der ihnen hätte einen Rat geben können. Sie mußten sich damit abfinden, daß zwischen ihnen ein Dschinn - ein Geist - erschienen war.
So dachte selbst der Prinz. »Bist du ein Geist?« fragte er, »bist du ein Geist?«
»Vielleicht.«
»Du fühlst dich nicht an wie ein Geist. Einen Geist kann man auch nicht fühlen. Was bist du?«
»Ein Templer.«
»Was?«
»Und ein Freund von König Richard Löwenherz.«
Den letzten Satz mußte er erst verdauen. Er war so überrascht, daß er zunächst kein Wort hervorbringen konnte. »Nein, nein,
Weitere Kostenlose Bücher