0872 - Der Templer-Friedhof
schwach.
Und der Prinz?
Er sah aus wie jemand, dem die Felle weggeschwommen waren. Er verstand die Welt nicht mehr.
»John, ich habe es getan. Ich konnte nicht anders, ich…«
»Psst!« zischte ich. Vielleicht war es sogar gut, daß er so reagiert hatte, denn Prinz Mleh und seine Soldaten mußten mit der neuen Situation erst einmal zurechtkommen.
Er schrie etwas. Dabei hob er die Arme und ballte die Hände zu Fäusten. Dann deutete er mit zuckenden Bewegungen auf den Toten und gab dessen Kumpan den Befehl, sich um den Mann zu kümmern. Der zweite Folterknecht lief hin, hob den Toten auf und brachte ihn Mleh Der deutete auf den Boden. Zu seinen Füßen wurde der Tote niedergelegt. Jemand warf Holzstücke ins Feuer. Die Flammen schlugen wieder höher und sorgten für mehr Helligkeit.
Prinz Mleh hatte sich hingekniet. Sein Blick war auf den Kopf des Toten gerichtet. Wir konnten nicht viel sehen, aber ich wußte, wie jemand aussah, dem eine Kugel durch den Schädel geschossen war. Für diesen Despoten war es neu.
Er kam damit nicht zurecht. Mit beiden Händen packte er den Toten an den Schultern. Er hob ihn an, schüttelte die Leiche durch, als könnte er so das Leben wieder in ihn hineinpressen, aber der Folterknecht rührte sich nicht.
Mleh ließ ihn schließlich mit einer schon widerlich anmutenden Bewegung fallen.
Danach drückte er sich in die Höhe und drehte sich dabei um. Sein Gesicht geriet in unser Blickfeld.
Wir sahen, daß es zu einer Grimasse der Wut geworden war, aber in seinen Augen leuchtete auch so etwas wie Furcht, und er schaute gegen den düsteren Nachthimmel, als wäre dort jemand, der ihm eine Lösung geben konnte.
Die bekam er nicht.
Auch wir verhielten uns still, denn wir hatten uns wieder hinter die Deckung zurückgezogen.
Mleh atmete tief durch. Keiner half ihm, niemand konnte ihm eine Antwort geben. Jetzt war er als Führer gefordert, denn er mußte seinen Leuten Sicherheit verleihen. Sie fürchteten sich, sie hatten Fragen, und sie verlangten Antworten.
Der Prinz konnte sie ihnen nicht geben, so schlau war er auch. Daß es eine Lösung gab, wußte er ebenfalls, und als er sich wieder den Templern zuwandte, da ahnte ich, mit welchen Gedanken der sich beschäftigte. Er schob alles den Templern in die Schuhe. Ihre Kraft und ihr Wille mußten dafür gesorgt haben, daß alles so gekommen war.
Mit drohenden Schritten näherte er sich seinem Ziel. Auch der Gefangene, der dieser Folter entgangen war, hob den Kopf. Er öffnete den Mund, seine Zunge fuhr hervor, als lechzte sie nach einem Tropfen Wasser.
Mleh sprach ihn an. »Du hast gesehen, was passierte. Er fiel, als sei er vom Blitz getroffen. Aber es war kein Blitz da, verstehst du das? Es hat keinen Blitz gegeben! Der Himmel war und ist dunkel. Wer hat es also getan? Was ist geschehen? Mit wem steht ihr in Verbindung?«
»Nur der Herrgott hat uns… aahhh…«
Mleh ließ den Gefangenen nicht ausreden. Blitzschnell hatte er mit seinem Dolch zugestoßen und das Bein des Mannes getroffen. Der Templer schrak zusammen, der zuckte trotz der Fesseln und wimmerte. »Ich werde immer weiter stechen, immer höher. An deinem verdammten Körper ist noch genügend Platz, das sehe ich. Du wirst allmählich ausbluten, du wirst es nicht mehr schaffen, du…«
Wieder hob er die Waffe. Diesmal aber zielte er gegen den Leib des Mannes.
»John…«, drängte Bloch. Er hatte recht.
Wir mußten uns zeigen.
Und noch in derselben Sekunde schoß ich aus meiner Deckung hoch, startete und rannte auf den Prinzen zu, der nicht mehr zu einem zweiten Stich kam, denn ich war bei ihm, riß ihn heftig herum, umklammerte mit dem linken Arm seine Kehle, nahm ihn also in den Schwitzkasten, und preßte ihm mit der anderen Hand die Mündung der Waffe gegen die Stirn…
***
Mleh rührte sich nicht. Wieder war er völlig überrascht worden. Ich hatte den Eindruck, keinen Menschen, sondern eine Steinfigur zu umfassen. Er stank widerlich. Nach Schweiß, nach Dreck und anderem Zeug, und aus seinen Mundwinkeln lief heller Seiber.
»Keine Bewegung!« zischte ich ihm ins Ohr. »Ich habe eine Wunderwaffe. Du hast gesehen, wie sie funktionierte. Dein Mann ist tot, erledigt durch diese Waffe…«
Er röchelte.
Ich verstärkte den Würgegriff nicht, dafür den Druck der Mündung, um ihn noch einmal darauf hinzuweisen, daß es sich nicht lohnte, sich gegen mich zu stemmen.
Die ersten Sekunden waren vorbei, und die große Panik war ausgeblieben. Die Soldaten standen nach
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