0872 - Der Templer-Friedhof
lauerte darauf, daß irgendwelche Knochen knirschten oder zerbrachen, aber sie waren stark genug, um mein Gewicht zu halten. Nicht das leiseste Knirschen war bei dieser Bewegung zu hören.
Dann hob ich die Arme an und legte sie auf die Knochenlehnen. Ich schielte nach unten und sah rechts und links an den Seiten die beiden knöchernen Füße des ehemaligen Templer-Führers.
Dieser Sessel war wirklich ein Phänomen. In New York ersteigert, hatte er noch all die magischen Kräfte in sich behalten, die ihn in den Jahrhunderten ausgezeichnet hatten. Auch der Knochenkopf des alten Templers war vorhanden, er ragte über meinem Kopf hinweg, als schaurig grinsende Skelettfratze.
Ich saß also, und ich mußte daran denken, daß dieser Sessel auch gefährlich werden konnte. Das hatte mein Freund Suko mal zu spüren bekommen. Als er meinen Platz eingenommen hatte, war er nur knapp mit dem Leben davongekommen, denn die Kräfte des Sessels hatten versucht, ihn zu erwürgen.
Ich spürte davon nichts. Der Knochensessel reagierte bei mir wie ein normaler Sessel und auch als knapp eine Minute vergangen war, merkte ich von seiner Magie noch nichts.
Bloch beobachtete mich. Er wurde etwas ungeduldig. »Was ist los, John? Spürst du etwas?«
»Nein.«
»Gar nichts?«
»So ist es.«
»Er sperrt sich.«
»Ja.«
»Warum?«
»Ich habe keine Ahnung. Möglicherweise wollen die anderen Kräfte nicht, daß ich dem Skelett folge. Wer von uns weiß denn schon, was hinter all diesen Mächten steckt und wo der Zusammenhang zwischen Prinz Mleh und dem Sessel besteht.«
»Was willst du tun?«
»Wenn ich ehrlich bin, würde ich am liebsten aufstehen und mich in ein Bett legen. Die ersten Stunden der Nacht waren doch ziemlich anstrengend.«
»Du gibst auf?«
»Ich habe den Sinn meines Handeln nicht begriffen.«
Bloch legte den Kopf schief. So leicht gab er nicht auf. »Und wenn du versuchen würdest, die Kraft des Sessels zu locken? Du trägst dein Kreuz, ich besitze den Würfel. Möglicherweise können uns beide Gegenstände den Weg ebnen.«
Ich konnte mir ein Lächeln nicht verkneifen. »Wenn ich dich so höre, Abbé, würde es dir Spaß bereiten, mich auf eine derartige Reise zu begleiten. Oder irre ich mich?«
»Du irrst dich nicht. Denke daran, daß auch ich schon in Avalon war. Ich sehe schon noch Chancen.«
»Bietet er Platz für zwei Personen?«
»Wenn du etwas rückst, sicher.«
Ich wollte nicht so recht, aber ich konnte Bloch die Bitte auch nicht abschlagen. Deshalb nickte ich.
»Okay, wir versuchen es, auch wenn es etwas lächerlich wirkt.«
»Haben wir denn Zuschauer?« fragte der Templer, als er auf mich zukam.
»Zum Glück nicht.«
»Das meine ich auch.«
Ich machte mich schlank, rückte zur linken Seite des Sessels hin und legte die Beine dicht zusammen.
Der Abbé nahm Platz. Er war zufrieden. »Herrlich, John, es ist wirklich gut.«
Der Templer-Führer ließ sich behutsam an meiner rechten Seite nieder, und die Knochen hielten.
Dieser Sessel war wirklich stabiler gebaut, als er aussah.
»Sehr gut.«
»Was hast du vor?«
Bloch lächelte und holte den Würfel des Heils aus einer seiner unergründlich erscheinenden Taschen seiner Kutte. »Er hat mich nie verlassen, John, auch dann nicht, als ich mein Augenlicht verlor. Er wies mir den Weg, und er hat auch dafür gesorgt, daß sich während meiner Blindheit die anderen Sinne schärften. Er kann mir gegenüber einfach nicht negativ sein, und möglicherweise gestattet er uns einen Blick in die andere Zeit.«
»Oder er bringt uns dorthin.«
»Das wage ich nicht zu hoffen.«
Ich bewunderte irgendwo die Aktivität des Templers. Er war nicht zu stoppen und glich einem im Wasser Dahintreibenden, der endlich die rettende Planke gefunden hatte.
Den Würfel hatte er zwischen seine Handflächen gepreßt. Ich hielt mein Kreuz noch unter der Kleidung verborgen, zuerst wollten wir es mit dem Würfel versuchen.
Bloch konzentrierte sich. Er sank nicht in sich zusammen, aber er schaffte es, seine Atmung zu reduzieren. Er blickte auch nach unten, auf die Würfelfläche, und ich wußte, daß seine Gedanken nun versuchten, eine Verbindung herzustellen.
Eine Schiene sollte entstehen, die tief hineinführte in eine andere Dimension, die es schaffte, Zeiten zu überbrücken, und tatsächlich bewegte sich innerhalb des Würfels etwas. Es waren die hellen Schlieren, die magischen Gene, die Träger dieser Kraft, die eine Verbindung herstellten. Zwar steckte Bloch in einer tiefen
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