0873 - Gabentisch des Grauens
mußte, daß sie leer war.
Aber nicht ganz, denn aus ihr stieg ein dünner Dampf, der träge durch die Lichtinsel des Feuers glitt.
Johnny drehte den Kopf nach rechts, weil ihm noch ein Gegenstand aufgefallen war, der neben dem Totenschädel stand. Es war ein dickes Buch, das mit dem Rücken nach oben wies.
Der junge Conolly kam mit dieser Anordnung nicht zurecht. Er wußte nicht, was sie im einzelnen bedeutete, aber er war erfahren genug, um herauszufinden oder sich vorstellen zu können, daß auf diesem schrecklichen Gabentisch eine Beschwörung stattgefunden hatte oder ein ähnliches magisches Ritual.
Die Musik war noch immer zu hören. Nur gedämpft erreichte sie ihn, doch Johnny konnte nicht sagen, daß er sich an diese Klänge gewöhnt hatte.
Immer wieder störten sie seine Gedanken und Betrachtungen. Wieder löschte er die Flamme.
Diesmal stand er nicht mehr so ruhig in der Dunkelheit. Er hatte mittlerweile einfach zu viel gesehen, und die Erinnerung an dieses schreckliche Bild war ihm auf den Magen geschlagen.
Wo bin ich hier hineingeraten? fragte er sich. Es dauerte eine Weile, bis er es geschafft hatte, die Furcht zu unterdrücken. Er dachte wieder normal und beschäftigte sich dabei mit bestimmten Dingen. Johnny sagte sich, daß es einen Weg geben mußte, um dieses Verlies zu betreten. Man fiel nicht vom Himmel und war da. Es mußte eine Tür oder Treppe vorhanden sein, und deshalb ließ er den Altar oder Gabentisch auch außer acht und machte sich auf die Suche.
Er entfernte sich von dem schaurigen Ziel, folgte der Flamme des Feuerzeugs, die jetzt ein tanzendes Muster in die Finsternis hineinschrieb, so daß sich Licht und Schatten zuckend vor ihm bewegten und schon bald ein Ziel trafen.
Es war eine alte Steinwand, an der die Feuchtigkeit festklebte. Damit hatte Johnny gerechnet, er war nicht überrascht, ging deshalb auf die Wand zu, um dicht an ihr zu bleiben. Er wollte ihrem Verlauf folgen und würde sicherlich auf eine Tür stoßen.
Er fror auch.
Die Kühle hier glich im Vergleich zu der Wärme draußen der aus einem Kühlschrank. Hinzu kam die Feuchte, und wenn Johnny über seine Kleidung strich, fühlte sie sich klamm an.
Er fand die Tür.
Sie bestand aus dicken Bohlen. Er bückte sich, sah das Schloß mit der Klinke und schüttelte schon jetzt den Kopf. Es würde ihm nicht gelingen, die Tür aufzubrechen. Als er die Klinke nach unten drückte, lauschte er dem dabei entstehenden knarrenden Geräusch, und er konnte hören, wie der Rost rieselte.
Nicht um einen Millimeter ließ sich die verfluchte Tür bewegen. Sie schien regelrecht festgeleimt zu sein.
Keine Chance zur Flucht!
Obwohl Johnny damit gerechnet hatte, war er doch enttäuscht. Dieses Gefühl drückte in ihm. Er würde warten müssen, bis jemand kam und ihn aus seiner Einsamkeit erlöste.
Einsamkeit?
Sekunden später zweifelte Johnny daran, denn urplötzlich hatte er ein Geräusch gehört.
Er konnte es nicht einordnen. Er wußte nicht mal, ob es menschlich war oder nicht.
Es war jedenfalls schrecklich. Und es war dort aufgeklungen, wo der Gabentisch des Grauens stand.
Johnny fror stärker…
***
Susan Stone hatte sich umgezogen. Sie trug jetzt eine dünne, schwarze Sommerhose aus einem seidigen Material, darüber ein weißes Top, unter dem ihre Brüste beim Laufen schaukelten. Etwas außer Atem blieb sie vor Bill und ihrem Sohn stehen.
»Da bist du ja, Marty.«
»Ich habe Ihnen doch gesagt, daß ich ihn zurückbringen werde, Susan.«
Sie kümmerte sich nicht um Bill und fragte mehrmals hintereinander, ob ihr Sohn auch in Ordnung wäre.
»Ich bin okay.«
»Das ist gut, dann können wir ins Haus.«
Sie wollte Marty an die Hand nehmen, der aber drehte sich weg. »Ich kann schon alleine gehen, danke«, sagte er und ließ die beiden stehen.
Susan hob die Schultern. »So sind die jungen Leute eben. Wenn sie ein bestimmtes Alter erreicht haben, wollen sie mit ihren Eltern nichts mehr zu tun haben. Aber was ist mit Ihnen, Bill? Wollen Sie nicht noch auf einen Drink mit ins Haus kommen?«
»Ja, das wäre nicht schlecht.«
»Wunderbar, ich freue mich.« Susan hakte sich bei dem Reporter ein wie eine gute Freundin, aber Bill blieb auf der Hut. Auf keinen Fall wollte er sich umgarnen lassen.
Bill hatte seinen Porsche an der Straße abgestellt. Sie gingen durch die Stille in ein ebenfalls stilles Haus, wo Susan ihren Besucher bat, sich doch zu setzen.
Bill ließ sich im Wohnraum nieder, der ihm auch jetzt nicht
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