0873 - Gabentisch des Grauens
so schrecklich und eigentlich nicht identifizierbar. Johnny war der Meinung, daß es von keinem Menschen stammte.
Johnny stand im Finstern und wartete. Wie ein Sehender starrte er in die Dunkelheit und war froh, als er seine erste Panik verkraftet hatte.
Etwas ganz Profanes schoß ihm durch den Kopf. Er hatte nicht mal nach der Uhrzeit geschaut. Das holte er nach. Im Schein der kleinen Flamme erkannte er, daß der Abend bereits angebrochen war.
Um diese Zeit füllte sich die Disco zumeist.
Dann bin ich doch länger bewußtlos gewesen, als ich dachte. Er bewegte seine Gedanken noch weiter, und seine Eltern fielen ihm ein. Sie würden sich Sorgen um ihn machen, sie würden anfangen, nach ihm zu suchen, und sie würden sicherlich auch die Disco nicht vergessen. Nur würden sie ihn dort nicht finden. Wenn er schrie, würden seine Schreie bei den lauten Gesängen ebenfalls nicht gehört werden.
Es sah nicht gut aus.
Was blieb an Hoffnung?
Die Eltern und natürlich sein Patenonkel John Sinclair. Er und auch Suko würden sicherlich alle Hebel in Bewegung setzen. Nur mußten sie ihn auch früh genug finden, denn Johnny konnte sich nicht vorstellen, daß er in diesem Verlies einfach nur gefangen blieb, ohne daß etwas passierte. Es ging weiter, so war das immer, und es passierte in diesem Augenblick, denn wieder hörte er das Geräusch.
Sehr, sehr dünn klang es.
Ein leises Schaben und Klatschen, als wäre eine Pfote dabei, in eine Flüssigkeit zu tappen.
Im Dunkeln verzog sich Johnnys Gesicht. Er spürte den Druck an seinen Mundwinkeln und auch den kalten Schauer im Nacken. In der rechten Hand hielt er noch immer sein Feuerzeug, aber er traute sich in diesem Augenblick nicht, es einzuschalten.
Das Geräusch wiederholte sich.
Kein Schmatzen, aber ein leises Klicken, als hätte jemand sein Maul aufgerissen und mit seiner Zunge diese Geräusche verursacht.
Johnny fror.
Das lag nicht an der Temperatur, sondern an der bedrückenden Angst. Dieses verfluchte Geräusch war schlimm. In der Dunkelheit kam es ihm noch lauter vor, und seine Richtung hatte sich ebenfalls nicht verändert. Nach wie vor war es dort aufgeklungen, wo auch der verdammte Gabentisch des Grauens stand.
In der dichten Finsternis schlich Johnny auf das Ziel zu. Nur keine lauten Tritte. Es gelang ihm wegen seiner Turnschuhe sehr gut, und die Sohlen schleiften nur leise über das Gestein hinweg.
Johnny konnte nicht sagen, wie weit er noch von diesem Altar des Schreckens entfernt war. Er hatte sich ausgerechnet, daß es höchstens noch zwei Schritte sein konnten.
Er blieb stehen.
Langsam und vorsichtig drückte er sich in die Hocke. Sein Kopf sollte ungefähr mit dem Rand der Altarplatte abschließen. Dann streckte er den rechten Arm vor und knipste das Feuerzeug an. Es sorgte für ein wenig Licht.
Wieder sah Johnny das Blut. Darum kümmerte er sich nicht. Er wollte sehen was sich unter der Altarplatte befand. Nicht mal zu atmen wagte der Junge, als er sich auf den Knien näher heranschob. Das Feuerzeug zitterte, die Flamme ebenfalls, aber sie brannte weiter.
Da war etwas!
Johnny konnte es nicht genau sehen. Lagen dort Kadaver? Der einer Katze und der eines Hundes?
Möglich ja.
Ausgeblutete Körper. Johnny wußte endlich, woher das Blut auf dem Altartisch stammte. Und er war froh, daß nicht das Blut eines Menschen vergossen worden war.
Der Augenblick der Euphorie dauerte nicht lange, denn Johnny mußte mit ansehen, daß nicht alles tot oder leblos war, was unter dem Altar seinen Platz gefunden hatte.
Dort bewegte sich etwas.
Der Junge fing an zu zittern. Er wollte weg, gleichzeitig aber spürte er den Drang zu bleiben und auch weiterhin zu einem Zeugen zu werden. Zeuge für was?
Er hielt den Atem an.
Johnny spürte den Eishauch in seinem Inneren. Was er da zu Gesicht bekam, war unglaublich, und er mußte zugeben, so etwas noch niemals zuvor gesehen zu haben.
War es ein Mensch…?
Ein leiser Schrei löste sich aus seinem Mund. Nicht wegen des Anblicks. Schuld daran war die Flamme gewesen, die über seine Daumenkuppe gestrichen war.
Das Licht verlosch.
Dunkelheit umgab Johnny Conolly.
Und zugleich etwas unerklärlich Grauenhaftes…
***
Johnnys Fahrrad war gefunden worden. Die durch mich alarmierten Kollegen hatten uns Bescheid gegeben.
Der Anruf hatte uns in Bills Haus erreicht, zu dem Suko und ich gefahren waren. Vom Auto aus hatte ich noch reit Sheila telefonisch gesprochen und in Erfahrung gebracht, wohin Johnny eigentlich
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