0873 - Gabentisch des Grauens
für mich fest. Nur kam ich nicht mehr dazu, mich damit zu beschäftigen, denn unser Telefon tutete.
Ich war schneller als Suko und hob ab.
»John - bist du es?« Sheilas Stimme klirrte. Ich hörte die Angst daraus hervor, schaltete den Lautsprecher ein, und ihre Stimme hallte jetzt durch unser Büro.
»Ja, aber was ist…?«
Sie ließ mich nicht ausreden. »Sie haben Johnny. Sie haben ihn entführt. Sie riefen mich an. Eine kratzige, kaum verständliche Stimme erklärte, daß sie ihn sich geholt haben, um ihn zu opfern. Der Gabentisch des Grauens, John…«
Sheila konnte nicht mehr sprechen. Sie weinte plötzlich, und ich saß vor meinem Schreibtisch wie ein Denkmal…
***
Johnny wußte nicht, wo er war. Er wußte überhaupt nichts mehr, denn der Sturz in die Bewußtlosigkeit hatte ihm alles geraubt, was mit seinem normalen Dasein zusammenhing.
Nur sehr langsam erwachte er aus der Schwärze. Er stieg den wahnsinnig tiefen Schacht in die Höhe. Er schwamm durch das Dunkel immer weiter nach oben, er kletterte sich förmlich frei, und er hörte sich selbst stöhnen und atmen.
Er merkte, wie es in seinem Gesicht zuckte. Die Haut bewegte sich dort an gewissen Stellen, auch seine Mundwinkel blieben nicht ruhig. Johnny hatte sich nicht unter Kontrolle, aber das Zittern verteilte sich nicht auf den gesamten Körper.
Er lag auf dem Boden.
Eine sehr harte Unterlage drückte gegen seinen Rücken, und er stellte auch fest, daß in seiner Umgebung nicht ein Funken Licht die Finsternis durchdrang.
Die Dunkelheit war wie ein Schwamm und konnte einem Menschen Angst machen. Johnny schrie nicht. Er kam sich nur bald so vor, als hätte sich sein Zustand nicht verändert. Auch jetzt, wo ihn die Bewußtlosigkeit verlassen hatte und er denken konnte, war ihm nicht klar, in welcher Umgebung er sich befand.
Er lag, er konnte denken, und sein Körper sandte auch entsprechende Signale ab.
Es war der Schmerz, der sich in seinem Kopf festgesetzt hatte. Nicht mehr so grell und stichflammenartig, im Laufe der Zeit war er mehr zu einem dumpfen Druck geworden, den Johnny einfach akzeptieren mußte, obwohl er sich dagegen wehrte.
Er stöhnte.
Der Mund war trocken, die Erde kalt und feucht. Langsam nur spreizte er die Arme und fuhr mit seinen Handflächen über die Unterlage hinweg. Die Feuchtigkeit blieb, die Härte auch, und er stellte fest, daß es alter Steinboden war, auf dem er lag.
Man hatte ihn entführt, in irgendein Verlies geschafft, und man würde sich irgendwann mit ihm beschäftigen.
Das stand für Johnny fest. Eigentlich hätte er nach diesem Resümee in Panik verfallen müssen, was er aber nicht tat, denn Johnny war ein junger Mann mit »Vergangenheit«.
Er hatte zahlreiche, alptraumhafte Erlebnisse relativ gut überstanden. Mehr als einmal hatten ihn die Mächte der Finsternis umbringen wollen, da war er noch kleiner gewesen und hatte auch nicht begriffen, wie nahe er dem Tod war. Seine damals noch kindliche Psyche hatte diese verdrängen können. Nun aber beschäftigte er sich mehr mit der Wirklichkeit, und die sah für ihn nicht eben gut aus.
Er war gefangen!
Wer hatte ihn niedergeschlagen und gefangen? Johnny hatte von seinem Vater und auch seinem Onkel gelernt, daß es wichtig für einen Menschen war, wenn dieser analytisch dachte.
Das versuchte Johnny. Er drückte seine Furcht zurück, die sich in ihm festgekrallt hatte. Er war mit dem Rad gefahren, um sich Schreibblöcke zu kaufen. Er hatte sich nicht an die normalen Wege gehalten, sondern die Abkürzung genommen.
Da war es dann geschehen.
Im kleinen Park, wo die Bänke unter der Linde standen, war er vom Rad gerissen worden.
Wer hatte es getan und womit?
Johnny fand keine Lösung. Der harte Gegenstand hatte ihn erwischt, in die Bewußtlosigkeit gerissen, und erwacht war er hier an einem unbekannten tief dunklen Ort.
Er war gefangen. Man würde etwas mit ihm anfangen wollen, man würde ihn unter Umständen…
Er dachte nicht mehr weiter, denn seine Ohren waren noch in Ordnung, und die hatten etwas gehört.
Johnny konnte die Richtung nicht feststellen, wahrscheinlich schwebte es über ihm, und es war ein ferner, unheimlich klingender Gesang, der durch die Decke oder das Mauerwerk schwebte. Er war ihm fremd, denn diese Musik gehörte nicht in eine normale Disco. Sie war im Prinzip auch nicht für junge Leute gedacht, aber Johnny wußte auch, daß es Menschen in seinem Alter gab, die darauf abfuhren.
Er hatte sich etwas länger auf den Gesang
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