0875 - Medusas Tochter
Jane.«
»Okay, ich bin Josh.« Er nickte ihr lächelnd zu und schob eine Faltwand zusammen.
Dahinter stand ein Bett. Es lag am Ende des Wagens. Parker selbst würde weiter vorn schlafen. Er brauchte nur eine in der Wand befestigte gepolsterte Liege nach unten zu klappen. Es war eng, aber dafür gab es in dem Raum noch eine Dusche.
»Okay«, sagte Jane und nickte. »Ich bedanke mich schon jetzt.«
»Frühstück wird gebracht. Sagen Sie mir, was Sie möchten.«
»Ich habe da keine Ansprüche.«
»Frische Eier?«
»Gern.«
»Dann kaufe ich ein paar mehr. Gute Nacht jetzt.« Parker zog die Faltwand wieder hervor und ließ Jane allein. Sie hatte die kleine Lampe an der Wand angeknipst. Das Licht fiel auch gegen ein Fenster, es bildete einen Ausschnitt in der Heckwand des großen Wohnmobils.
Jane zog sich aus. Ihren Koffer hatte sie noch im Wagen gelassen und wollte ihn auch jetzt nicht holen. Sie würde es am Morgen tun.
Sie legte sich auf das Bett, zog die Decke hoch über und löschte das Licht. Schlagartig wurde es dunkel, denn auch jenseits der Faltwand war es bereits dunkel.
Jane lag auf dem Rücken, die Hände unter dem Hinterkopf verschränkt. Sie wollte Schlaf finden, doch es war ihr nicht möglich. Wach blieb sie, die Gedanken drehten sich in ihrem Kopf, und sie dachte auch an Vera Valendy.
Sie und ihr Vater waren zwei Menschen, wie sie unterschiedlicher nicht sein konnten. Sie paßten überhaupt nicht zusammen, niemals hätte sie die beiden für Vater und Tochter gehalten.
Und doch war es so. Beide umgab ein Geheimnis. Es umwehte sie wie ein Schleier, den Jane gern gelüftet hätte, denn sie war sicher, daß sie das Rätsel der versteinerten Leiche würde lösen können.
Sie war urplötzlich noch wacher als wach.
Schritte!
Leise, in der Nähe des Wagens. Als wäre die Person zum Greifen nahe neben ihr. Tatsächlich war sie nur durch die Wand des Wohnmobils getrennt. Schon wieder, dachte Jane, das hatten wir doch schon. So leise und vorsichtig wie möglich richtete sie sich auf, denn sie wollte einen Blick durch das Fenster werfen.
Das Licht ließ sie natürlich aus. Sie lugte über den Fensterrand in die graue Finsternis, dabei fiel ihr auf, daß die Scheibe nicht besonders sauber war.
Viel war nicht zu sehen. Kein anderer Wagen und auch keine Person, die durch die Nacht huschte.
Jane glaubte nicht an einen Irrtum. Sie hatte Zeit, sie wartete, auch wenn ihre Haltung etwas unbequem war.
Die Augen schmerzten vom Starren. Sie rieb darüber hinweg und zwinkerte auch.
Dann schaute sie wieder hin - und sah die Bewegung!
Ein Huschen von rechts nach links, mehr nicht. Doch es war ein Mensch, der da durch die Dunkelheit lief. Eine schmale Gestalt mit ungewöhnlich hoch wehenden Haaren.
Schlangen? Haare als Schlangen? Medusa…?
Jane zwinkerte wieder. Sie hoffte, die Gestalt noch genauer sehen zu können, aber die Dunkelheit war zu dicht und hatte die Person kurzerhand verschluckt.
Jane Collins ließ sich wieder zurücksinken. Plötzlich lag auf ihrer Haut ein kalter Schauder…
***
Irgendwann war sie trotzdem eingeschlafen, doch am anderen Morgen fühlte sich Jane, als hätte man sie durch eine Mühle gedreht. Sie stand auf, zog sich an, ging ins Freie und holte den Koffer aus dem Wagen. Von Josh Parker hatte sie nichts gesehen. Sie entdeckte ihn erst auf dem Rückweg.
Er hatte das Frühstück bei einem fahrenden Händler geholt, lächelte und stellte die große Tüte auf den Tisch, der den Mittelpunkt einer Miniküche bildete.
»Morgen, Jane, wie geht es Ihnen?«
»Wollen Sie meine ehrliche Meinung hören?«
»Man sieht es Ihnen an.«
»Ich bin müde.«
»Das kann ich verstehen. Am besten wird es sein, wenn Sie sich unter die Dusche stellen. Ich bereite inzwischen das Frühstück vor. Wenn Sie fertig sind, können wir essen.«
»Danke.«
Die Kabine war sehr schmal. Jane hatte Parker bewußt nichts von ihrer nächtlichen Entdeckung berichtet. Sie wollte ihn nicht noch mehr beunruhigen.
Das Wasser war heiß. Es tat ihr gut. Aber Jane war schnell fertig, schlüpfte wieder in ihre Kleidung und war nicht begeistert, wenn sie nach draußen schaute. Es würde wohl keinen sonnigen Septembertag geben. Am Himmel klebte eine schiefergraue Wolkenmasse, die sich sicherlich irgendwann entleeren würde. Auch kein Wetter, um viel Publikum auf den Rummel zu locken. Da würden sich die Schausteller bestimmt ärgern. Da die Falttür offenstand, erreichte der Duft von frisch aufgebrühtem Kaffee Janes
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