0878 - Die Schwertlady
Er ließ das gezeigte Szenario langsam rückwärts laufen. Und dann glitt es an Rhett und der Schwertlady vorbei…
Stopp! Und wieder vorwärts, in Zeitlupe!
Jetzt sah Zamorra, wie sie aus der Wand hervorkam. Da war tatsächlich keine Geheimtür. Sie trat einfach auf den Korridor hinaus, als sei sie die ganze Zeit über ein Teil des Mauerwerks gewesen.
Nein, sie trat nicht - sie schwebte, wie sich das für ein ordentliches Gespenst gehörte. Aber im Gegensatz zu anderen Gespenstern wirkte sie nicht irgendwie durchscheinend und verschwommen, sondern materiell stabil.
Rhett sagte etwas. Zamorra konnte nicht hören, was, weil Klänge bei der Zeitschau nicht wiedergegeben wurden, aber seiner Gestik ging klar hervor, was er wollte: er forderte das Schwert!
Die Lippen der Schwertlady bewegten sich nicht. Wenn sie etwas antwortete, dann bestimmt nicht akustisch. Wahrscheinlicher war Telepathie. Aber die wurde vom Amulett auch nicht wiedergegeben.
Und dann war da der Moment, in welchem sie beide verschwanden.
Es mochte zwei Sekunden dauern, sicher nicht mehr. Und genau hier stoppte Zamorra die Zeitschau.
Er versuchte das Verschwinden zu analysieren.
Dann lächelte er.
Jetzt kannte er den Weg…
***
Rhett sah sich verblüfft in seiner neuen Umgebung um. Er hatte mit vielem gerechnet, aber nicht damit, gemeinsam mit der Schwertlady in fast bis an die Hüfte reichendem Wasser zu stehen. Dahinter erhob sich eine Dschungelwand wie eine dunkle Mauer, und an einer Stelle war der rötliche Himmel zu sehen.
Und drei Sonnen!
Drei! Das bedeutete, dass er in eine völlig andere Welt entführt worden war. Ein Planet in einem anderen Sonnensystem? Aus Himmelsbeobachtungen und auch dem Unterrichtsfach Astronomie, das der Privatlehrer aber nur sehr knapp abhandelte, war Rhett keine Dreisonnen-Konstellation bekannt. Vor allem nicht, wenn die Sonnen so dicht beieinanderstanden wie hier. Eigentlich müssten sie längst in einen gemeinsamen Mittelpunkt gestürzt und miteinander verschmolzen oder zur Supernova geworden sein!
Besonders hell waren sie auch nicht. Man konnte sie mit dem bloßen Auge ansehen, ohne geblendet zu werden. Von daher waren diese drei Sonnen wohl auch erforderlich, um die auf dem Planeten vorherrschende Wärme zu erzeugen. Es war hier geradezu sommerlich.
Rhett entschied sich für die Annahme, dass sich der Planet mit den drei Sonnen in einer anderen Dimension befand. Einer, in der völlig andere Naturgesetze galten als in der heimatlichen Galaxis.
In ihm erwachte jäh der Wunsch, eine der Sonnen vom Himmel zu holen, und er streckte die Hand danach aus. Aber das funktionierte natürlich nicht.
Was tust du da ?, fragte die Schwertlady.
Rhett lächelte. »Ich wollte dir einen Stern vom Himmel holen und dir zum Geschenk machen. Aber das geht wohl nicht. - Willst du mir jetzt nicht endlich dein Schwert geben?«
Warum sollte ich das tun? Wer bist du überhaupt, dass du diese Forderung stellst?
»Ich bin Rhett Saris ap Llewellyn, der Erbfolger , und ich dulde keine Waffe in fremder Hand, es sei denn, ich hätte das ausdrücklich erlaubt.«
Ich habe nie von dir gehört , erwiderte sie.
»Ich verlange mehr Respekt von dir. Man pflegt mich mit Mylord anzureden.«
Für mich bist du nur ein Junge mit besonderen Fähigkeiten, die ich in dir spüre , erwiderte sie. Also solltest du dich nicht so aufblasen.
Für einen Moment war er total perplex. Mit einer solchen Reaktion hatte er nicht im Mindesten gerechnet.
Dann stieg Zorn in ihm auf. Er bezähmte ihn aber. Was er von seinen früheren Inkarnationen gelernt hatte, war, dass Zorn und Blindwütigkeit nur zu schnell zu Fehlern verleitete. Und Fehler konnte er sich in seiner gegenwärtigen Situation nicht leisten.
»Ein Junge, meinst du. Dabei bin ich garantiert erheblich älter als du. Ich zähle etwa dreißigtausend Jahre, wenn auch in unterschiedlichen Erscheinungsformen.«
»Das glaube ich nicht«, widersprach die Schwertlady. »Kein Mensch wird so alt.«
»Mensch?« Er lächelte spöttisch. »Ich sagte doch schon: Ich bin ein Llewellyn und der Erbfolger.«
Sie musterte ihn nachdenklich. Dann stützte sie sich auf ihr Schwert. Kann sein, dass das stimmt, kann sein, dass du ein Maulheld bist. Wie willst du deine Behauptung beweisen?
Jetzt hatte sie ihn in Zugzwang gebracht. Er überlegte.
»Wie alt bist du?«, fragte er zurück.
Ich weiß es nicht genau. Fünfhundert Jahre, sechshundert, siebenhundert?
»Das müsste also in die Zeit meiner
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