0879 - Das Erdmonster
tot. Die Erde hatte ihn und den Ford Maverick verschlungen. Sie war plötzlich aufgebrochen und…
Jill zitterte. Das Blut stieg ihr in den Kopf. Die Furcht nagte in ihren Eingeweiden wie die Zähne einer Ratte. Daß sie überlebt hatte, erschien ihr jetzt noch wie ein Wunder. Sie hatte dem Grauen getrotzt und war letztendlich von Delphi gefunden und vom Felsen gepflückt worden wie eine reife Beere vom Zeig.
Morgan tot!
Es war nicht zu fassen. Alles war nicht begreifbar. Die nahe Vergangenheit hatte ihr gezeigt, wie grausam das Schicksal sein konnte, und beinahe empfand sie es als ungerecht, daß sie dem schrecklichen Tod entronnen war.
Wie verloren saß sie auf der Bettkante. Der Raum war klein. Die beiden Betten blieben die einzigen Einrichtungsgegenstände, wobei eines schon leer war und die Decken nur zur Seite gelegt waren.
Die Tränen stiegen in ihre Augen, und Jill drückte mit den Fingern gegen die Lider, sie wollte einfach nicht weinen.
Dafür drehte sie den Kopf nach links, denn dort befand sich das kleine Fenster. Es hatte sich in seinen Ausmaßen der übrigen Umgebung angepaßt, man konnte es nur als Luke bezeichnen, hinter der es hell glänzte, was an der Morgensonne lag, die gegen die Ostseite des Hauses schien.
Jill hörte Delphis Schritte aus dem großen Nebenraum. Die Tür war nicht ganz geschlossen, deshalb hatte sie auch der Duft des frisch aufgebrühten Kaffees erreicht. Er machte Jill zumindest so munter, daß sie sich in die Höhe drückte und die ersten beiden Schritte ging, wobei sie den Muskelkater in ihren Gliedern spürte, besonders in den Armen, seitdem sie sich an dem Felsen festgehalten hatte.
Mit schweren Beinen bewegte sich Jill auf die Tür zu. Im Kopf lag ein leichter Druck. Jill hoffte, daß der Genuß des frischen Kaffees ihn vertreiben würde.
Als sie die Tür aufzog, was nicht geräuschlos geschah, drehte sich Delphi um. Sie stand am Tisch und hatte Messer neben das Geschirr gelegt. Ein Lächeln huschte über ihre Lippen, sie nickte dem Gast zu und fragte: »Gut geschlafen…?«
Jill hob die Schultern.
»Jedenfalls wünsche ich dir einen guten Morgen.«
»Nach dieser Nacht?«
»Sie ist vorbei.«
»Ich weiß, aber die Erinnerungen werden zurückkehren.«
»Jetzt nimm erst mal Platz. Das Brot ist auch warm. Ich muß es nur noch holen.«
Delphi hatte es in dem Steinofen neben dem Kamin aufgebacken. Als sie die Klappe öffnete und mit einem Schieber das Brot hervorholte, hatte Jill ihren Platz am Tisch bereits eingenommen, die Ellenbogen auf die Kante gestellt und starrte ins Leere. Delphi lächelte sie immer an, während sie den Kaffee einschenkte und dabei erklärte, daß sie ihn nur zu besonderen Gelegenheiten trank, sich ansonsten mit Tee begnügte.
»Ich weiß es zu schätzen«, flüsterte Jill.
»Trink erst mal einen Schluck.«
Das tat sie und mußte zugeben, noch nie so einen leckeren Kaffee getrunken zu haben. Das gleiche galt für das selbstgebackene Brot, auf das sie ein Pflanzenfett strich und anschließend Honig träufelte.
Beide Frauen aßen schweigend. Delphi trug an diesem Morgen einen sandfarbenen Pullover und eine Hose. Eine Lederkette mit dicken Holzperlen hing um ihren Hals. Die Haare schimmerten jetzt mehr braun als rot, und Jill wunderte sich darüber, mit welchem Appetit die Frau aß.
Auch ihr schmeckte es, aber sie konnte kaum etwas essen. Das Schlucken tat ihr weh, irgendwo in der Kehle lag ein Kloß, zudem wurde sie noch von einem dünnen Band umschnürt.
Jill hatte damit gerechnet, daß Delphi die Vorgänge der vergangenen Nacht ansprechen würde, aber sie schwieg. Wahrscheinlich wollte sie, daß Jill davon anfing, und sie tat ihr den Gefallen auch, aber sie wagte es dabei nicht, Delphi anzuschauen, sondern blickte auf ihre Hände, die sie gefaltet auf den Tisch gelegt hatte.
»Es ist alles so weit weg und trotzdem so nah. Da öffnet sich die Erde, verschlingt einen Menschen, und ein anderer Mensch flieht, ohne sich um den Freund oder Kollegen zu kümmern. Ich mache mir…«
»Pardon, wenn ich dich unterbreche. Du solltest dir auf keinen Fall Vorwürfe machen. Du hättest es nicht verhindern können. Wir Menschen sind zu schwach.«
Jill nickte. »Gegen wen zu schwach?«
»Gegen die Erde.«
Die Reporterin schluckte. Sie hatte die Antwort nicht begriffen und runzelte die Stirn.
»Soll ich es dir erklären?«
»Später. Wir müssen doch die Polizei und die Feuerwehr alarmieren, damit die Straße abgesperrt wird. Wie leicht können
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