0880 - Der Vampir von Cluanie
der Familie der McGilbtons gab es eindeutig zu viel Weibsvolk und zu wenig des männlichen Geschlechts.
»Und was macht Ihr hier?«, wollte Bartholomäus wissen und leckte sich nervös über die Lippen. Ghared sah ihm an, dass er auf etwas lauerte.
»Ich bin alt«, murmelte Ghared lächelnd. Und müde , fügte er in Gedanken hinzu. »Ich wollte diese herrliche Nacht genießen.«
»Geht wieder heim«, meinte der Priester, vor dessen Brust ein hölzernes Kreuz baumelte. »Diese Nacht ist keine gute!«
»Ihr habt mir nichts zu sagen, vergesst das nicht!«
Der Priester zuckte zusammen.
»Und nun macht ihr alle, dass ihr nach Hause kommt. So etwas wie Vampire gibt es nicht!«
»Aber die Bibel«, stammelte Bartholomäus und unterbrach sich, als der zornige Blick Ghareds ihn traf.
»Die Bibel kann auch nicht auf alles antworten«, zischte Ghared leise und sah zufrieden, wie der Mob sich zurückzog.
So konnte er denn allein aufbrechen, um den Vampir zu jagen…
***
Matthew hetzte durch die Nacht. Er wusste nicht warum, aber der Befehl seines neuen Herrn war so einprägsam und unmissverständlich erfolgt, dass er nicht anders konnte als ihm Folge zu leisten. So huschte er dahin. Leise und unheilvoll. Längst hatte er bemerkt, dass sich sein Gehör geschärft und auch seine anderen Sinne verbessert hatten. Seine von der Schwindsucht befallene Lunge versorgte ihn wieder mit Luft und auch seine knirschenden Knochen schmerzten nicht mehr.
Der junge Bursche fühlte sich wohl. So wohl wie schon lange nicht mehr. Er lächelte verschmitzt, als er das Loch Cluanie-Ufer erreichte und eine die karge und felsige Landschaft entlang stampfende Gestalt erblickte.
Matthew konnte es riechen. Das Blut…
Warum er den Herzschlag des näher Kommenden hören konnte, blieb ihm ein Rätsel - wie vorhin schon ebenso, wieso er genießerisch die Luft einsog, nachdem in ihm ein Feuer entflammte, das ihn gierig dazu trieb, seinen Mund zu öffnen und seine Zähne in den Hals des ihm noch Unbekannten zu schlagen.
Matthew verschmolz mit der Dunkelheit und erkannte schnell, um wen es sich handelte.
Es war der Laird… Alt und gebeugt, mit müden Schritt.
Der Jungvampir kicherte leise und wartete. Er war zu allem bereit…
***
Ghared Saris keuchte und schnaufte. Er hätte sich niemals träumen lassen, dass das Alter so nagend und zäh sein würde wie in diesem Augenblick. Er hatte schon viele Leben hinter sich gebracht, aber umso länger er lebte, umso länger durfte auch sein nächstes Ich leben. Was im Klartext hieß, dass jede neue Inkarnation ein weiteres Jahr geschenkt bekam.
So war Ghared Saris nun 261 Jahre alt und würde im nächsten Leben 262 Jahre alt werden.
Genauer gesagt, ein paar Monate hatte er noch in diesem Leben. Dann würde Chloe seinen Sohn gebären, sein Geist auf diesen überspringen und in der neuen Inkarnation um jenes Jahr älter werden.
Nun aber galt es den Vampir zu finden und möglicherweise eine Spur zu entdecken, die ihn zu Chloe führte.
Seine magischen Sinne waren gespannt. Er tastete mit der ihm innewohnenden Magie in der Umgebung nicht weit um sich herum.
Und doch spürte er es dann mehr, als er es wusste.
Etwas kam auf ihn zu. Mit schnellen Schritten und von einer Gier beseelt, die ihn erst erschreckte und dann zu seinem Schwert greifen ließ.
Der Schatten war plötzlich da und fauchte gefährlich. Ein harter Schlag traf Ghared am Kopf und ließ ihn zur Seite kippen. Er keuchte, als er zu Boden fiel, und es war ihm nicht möglich, das Schwert zu ziehen. Er war genau auf der Scheide zu liegen gekommen!
Seine Magie wurde aktiv. Sie versuchte ihn zu schützen.
Der Angreifer jaulte auf, als ihn ein magischer Schlag traf. Nun war es der Unbekannte, der taumelte und rücklings zu Boden ging. Ghared verfluchte sein Alter erneut und wünschte sich, noch so wendig zu sein wie vor zwei Wochen. In seinem jetzigen Zustand war er gebrechlich und kam nur mühsam auf die Beine.
Zeit ging ihm verloren, die er nicht verlieren durfte. Zeit, die sein Gegner gnadenlos nutzte. Denn als Ghared wieder stand, war sein Gegner bereits wieder vor ihm, das Gesicht seltsam verzehrt, den Mund weit aufgerissen, die Hände zu Klauen gekrümmt. Ghared sah die Vampirzähne. Spitz und bedrohlich. Kurz schluckte er.
Eine Klaue krümmte sich zur Faust und streckte ihn erneut nieder. Schwer schlug er auf dem steinigen Boden auf.
Ein heiseres Lachen wehte ihm entgegen. Vor seinen Augen schienen Sterne zu zerplatzen und das Dröhnen
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