0880 - Der Vampir von Cluanie
Vögel, die sich auf die Nacht vorbereiteten. Schmunzelnd entsann McMour einer Dienstanweisung aus seiner Armeezeit: »Bei Einbruch der Dämmerung ist mit Dunkelheit zu rechnen.« Völlig logisch und einleuchtend - so setzte der Soldat sich nicht der Gefahr aus, ohne Lampe durch die Nacht zu stolpern und versehentlich einem Kameraden oder einem Feind auf die Hand zu treten.
Er öffnete den Kofferraum des 500 SL, aber nicht, um eine Taschenlampe herauszunehmen, sondern sein spezielles Werkzeug: Das konnte er notfalls auch mit geschlossenen Augen bedienen.
In diesem Moment wurde er hinterrücks angegriffen…
Die Erinnerungen waren nur spärlich zu ihm zurückgekehrt. Seitdem er aber in der Nähe von Loch Ness verweilte und sich dem Platz des alten Duells nährte, war es ihm, als ob er einen Schritt in die Vergangenheit zurück machte. Er konnte sich an Menschen erinnern. An Ereignisse. An den Tag, als er zu einem Vampir wurde. Er wusste auch wieder, warum er damals Ghared Saris ap Llewellyn unter Druck setzte.
Nun schritt er auf Llewellyn-Castle zu. Da die Abenddämmerung längst eingesetzt hatte, musste er keine Angst mehr haben zu vergehen. Wie eine Ratte hatte er sich in einer alten Scheune vor dem Sonnenlicht des vergangenen Tages versteckt. Nun war er erwacht. Und er roch das Blut eines Menschen. Er sah ihn auch, wie er zu seinem Mercedes ging.
Der Vampir hatte längst gespürt, dass um Llewellyn-Castle eine Art magischer Schutzglocke gespannt worden war; ein Zauber, der verhindern sollte, dass Wesen wie er eines war, in die Mauern eindringen konnten.
Und doch kümmerte ihn die Llewellyn-Magie nicht. Er verwandelte sich durch die Kraft seiner Gedanken in eine Fledermaus. Die Magie wurde stärker. Der Vampir frohlockte innerlich. Er würde sich sein Opfer holen. So wie es sein musste… immer!
Das Opfer beugte sich über den Kofferraum, und der nach Schottland zurückgekehrte Vampir griff an…
Rhett schrie. Aus dumpfen und toten Augen schaute er sich selbst an, sein früheres Ich. Ghared Saris ap Llewellyn tat nichts weiter. Er starrte nur in den sich langsam verdunkelnden Himmel. Steif wirkte er. Fahl und leer. Rhett traute sich nicht, mit der Hand nach dem eigentlich Toten und längst Verwesten zu greifen.
Was sollte er hier tun?
»Zamorra«, flüsterte Rhett leise. Er hatte einen Entschluss gefasst.
Er würde zurück nach Frankreich gehen, um mit dem Parapsychologen wieder hierher zurückzukehren.
Eine Idee, die ihn nicht sonderlich begeisterte. Aber wenn er das Geheimnis um sich und seine Vergangenheit lösen wollte, musste er auf die Hilfe Zamorras zurückgreifen. Der hatte die größere Erfahrung.
Rhett stemmte sich in die Höhe. Er verließ den Friedhof und eilte mit schnellen Schritten nach Spooky-Castle.
Etwas hielt ihn plötzlich ab…
Julian?, huschte ihm der Gedanke durch den Kopf. Er konnte den Träumer fragen, ob er ihm helfen würde…
Ein Unterfangen, dass mit Risiken behaftet war, das wusste Rhett. Aber wenn er es schaffte, dieses Problem allein zu bewältigen, ohne Zamorras Hilfe, würde er vielleicht von diesem in Ruhe gelassen. Und Rhett hatte dann die Möglichkeit, seine Magie allein zu erforschen. Nicht, dass er Zamorras Hilfe nicht wünschte, aber wenn er hier allen bewies, dass er mit einem Problem allein fertig werden konnte, hatte er die Möglichkeit, als das anerkannt zu werden, was er war.
Der Erbfolger ! Ein vollwertiges Mitglied der Zamorra-Crew!
Rhett eilte nach Llewellyn-Castle… Das dauerte, entschieden länger als vorhin der Weg zum Totenacker hin, fast eine Stunde. Beim letzten Mal, als es um das Ungeheuer von Loch Ness ging, hatte Sir Henry ihn von Spooky-Castle zum heutigen Stammsitz der Llewellyns gebracht. Dasging recht schnell. Diesmal aber legte Rhett den Weg, beziehungsweise die lange Teilstrecke, auf eigenen Füßen zurück.
Er fror. Es war winterlich kalt, und diesmal hatte er sich nicht erst um passende Kleidung bemüht, ehe er in Château Montagne aufbrach. Dumm gelaufen…
Endlich am Ziel angekommen, zuckte er zusammen. Denn das, was er sah, konnte er kaum glauben. Auf dem Boden kauernd, sich an einem Opfer gütlich tuend, saß jener Vampir von damals.
Er hatte sich nicht verändert. Seine Haare waren noch immer lang und dicht. Sein starres Gesicht voller Bosheit verzehrt.
Rhett schnaufte. »Mein Fluch erfüllt sich…«
***
Noch immer war Zamorra besorgt. Er hatte sich noch kurz mit Patricia unterhalten und war dann mit ihr zum
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