0881 - Zentrum der Angst
half das nichts. Problemlos brach ihm Sabeth das Genick.
Niemand hatte sie beobachtet. Am liebsten hätte sie ihr Blutmahl sofort begonnen, doch das Risiko einer Entdeckung wollte sie nicht in Kauf nehmen. Mit ihrem Opfer überwand sie die Mauer erneut. Dann jedoch war der letzte Rest ihrer Beherrschung aufgebraucht.
Noch auf der Mauerzinne stieß sie ihre Zähne in den warmen Hals des Dreibeiners. Sein Lebenssaft schmeckte widerlich - faulig, bitter, unrein. Der Ekel würgte Sabeth, stieg ihr sauer in der Kehle hoch, doch die Gier war größer. Sie ließ von ihrem Opfer erst ab, als es nur noch eine leere Hülle war. Dann übergab die Wächterin sich heftig.
»Was bist du nur für ein schwaches Wesen. Wie konnte die Wurzel gerade dich zur Wächterin bestimmen?«
Sabeth fuhr hoch, wollte sich auf die Person stürzen, die sich hinter ihr angeschlichen hatte. Doch sie stoppte ihre Bewegung ab. Keine drei Schritte von ihr entfernt stand der Ductor. Die toten Augenhöhlen schienen die Wächterin hypnotisieren zu wollen. Woher kam der Ductor? Wollte er nicht zum Wurzelhaus? Sabeth fühlte sich gestärkt, die Schmerzen in ihrem Körper ebbten mit jeder Sekunde ab, doch die Anwesenheit des Ductors traf sie wie ein Schlag ins Gesicht.
Gerade er hätte sie so niemals sehen dürfen!
»Ich bin gekommen, um dich zu holen.« Der Ductor verlor kein weiteres Wort über das, was er hier gesehen hatte. »Zwei Fremdpräsenzen sind zur Wurzel vorgedrungen, haben die Praetoren überlistet, eine Stele des Werdens zerstört. Und irgendwo nahe dem Wurzelhaus kann ich den Krieger Armakaths spüren. Noch verbirgt er sich, doch meine Praetoren werden ihn fassen - ihn, und diese Frau, die bei ihm ist. Komm, du bist mit der Wurzel vertraut. Im Schacht können wir unsere Klangmagie nicht einsetzen. Du und ich werden nach unten steigen, die Fremden dort vernichten.«
Sabeth hörte nur zu. Sie konnte sich denken, wer die beiden Fremden waren, die sich von den Praetoren nicht hatten aufhalten lassen. Doch diese Information behielt sie für sich. Ohne auf den Ductor zu warten, wollte die Wächterin die Mauer in Richtung Wurzelhaus verlassen.
»Warte noch.« Die Stimme des Ductors klang wie ein Peitschenhieb auf. »Was für Wesen sind das, die dort unten ihren Irrsinn ausleben? Was tun sie hier bei der Stadtmauer?«
Sabeth wandte sich zu dem Grauen um. »Sie sind harmlos. Religiöse Fanatiker, die Armakath für eine Art Gottheit halten. Sie hoffen, die Stadt würde für sie hier in den Schwefelklüften eine neue und bessere Zeit einläuten.«
Der Ductor lachte knurrend auf. »Und warum stürzen sie sich dann in die Flammen?«
Sabeth wusste es selbst nicht genau. »Vielleicht glauben sie, auf diese Art in die Stadt aufgenommen zu werden - wie in einem Paradies.«
»Manche Wünsche kann man schnell erfüllen.« Sabeth verstand nicht, was der Ductor damit sagen wollte, doch im nächsten Augenblick bekam sie die Erklärung.
Der Mund des klobig wirkenden Wesens öffnete sich unnatürlich weit, wurde zu einem Trichter. Dann ging alles unglaublich schnell. Weiße Flammen schossen zu einem dicken Strahl gebündelt aus dem Maul des Ductors, verwandelten das Lager der Dreibeiner innerhalb eines einzigen Augenblicks in ein Feuermeer. Sabeth zog sich um einige Meter seitlich zurück, denn die wahnsinnige Hitze raste auch auf den Kamm der Mauer hinauf.
Mit Grauen wurde Sabeth klar, dass dort unten kein Einziger der Dreibeiner überlebt hatte. Das Dröhnen, das in Sabeths Ohren klang, realisierte sie erst Augenblicke später als schallendes Gelächter des Ductors.
»Siehst du, Wächterin, jetzt sind sie alle in ihrem Paradies. In der Hölle waren sie schließlich ja vorher schon.« Er würdigte Sabeth keines weiteren Blickes, sprang von der Mauer in die Stadt hinein. Sabeth konnte die Augen nicht von dem Inferno wenden, das sich vor der Stadt abspielte. Ein Massaker… sinnlos, ohne den geringsten Grund.
Nein, die Wächterin verbesserte sich in Gedanken: der Ductor hatte sehr wohl einen Grund gehabt. Es war nichts weiter als eine Machtdemonstration gewesen, die Sabeth beweisen sollte, wie unterlegen sie ihm gegenüber doch war. Sabeth war in ihrem Leben stets in engem Kontakt zum Tod gewesen - ein Vampir konnte dem überhaupt nicht entrinnen. Solch sinnloses Morden jedoch widerte die Wächterin nur an.
Sabeth schwebte nach unten. Zumindest körperlich war sie nun erst einmal wieder im Vollbesitz ihrer Kräfte. Sie schaffte es daher spielend, mit
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