0882 - Der Sonnen-Dämon
konnte.
An so etwas schien die nette Stewardeß überhaupt nicht zu denken, die die Passagiere begrüßte. Ihr »Bonjour« klang hell wie ein Glockengeläut. Zumindest sie schien schon einigermaßen wach zu sein.
Die beiden gingen nach rechts in den zigarrenförmigen Rumpf der Maschine und hatten ihre Plätze rasch gefunden. Nebeneinander saßen sie. Der Junge am Fenster, Laroche zum Gang hin. Zeitschriften hatten sie nicht mitgenommen, zumindest Laroche würde sich nicht konzentrieren können. Er hockte schweigend in seinem Sitz, wie jemand, der zum erstenmal flog und sich Gedanken darüber machte, wie der Flug wohl verlaufen würde und er jetzt die letzte Chance hatte, einfach auszusteigen.
Das tat Laroche nicht. Er blieb sitzen, den Blick auf seine Handrücken gerichtet, wo sich eine dünne Gänsehaut abzeichnete, auch ein Beweis für seine Furcht.
Die Maschine füllte sich allmählich. Die Passagiere konnten von zwei Seiten einsteigen, so sahen die beiden nicht, wer alles seinen Platz einnahm.
Guy fiel auf, daß der Junge die Gesichter der Passagiere aufmerksam betrachtete, sofern es ihm möglich war. Er reagierte nicht, es gab in seinen Augen keinen Verdächtigen.
Stimmengemurmel, das Rascheln der Blätter, wenn die Zeitungen umgeschlagen wurden, eine Stewardeß und ein Purser, die den Reisenden hier und da behilflich waren. Laroche und der Junge hatten sich bereits angeschnallt. Sie hörten die Begrüßung des Kapitäns, der ihnen erklärte, daß auch in London gutes Wetter herrschte.
Sie rollten zum Start. Das Personal schaute nach, ob jeder Passagier auch angeschnallt war.
Es würde ein kurzer Flug werden, ein Katzensprung über den Kanal, mehr nicht.
Eine Verzögerung gab es nicht. Die Maschine hatte die Startbahn kaum erreicht, als die Düsen aufheulten und das Flugzeug blitzartig an Geschwindigkeit gewann.
Der Archäologe schaute nach rechts. Kinok saß ruhig neben ihm. Er hatte das Rollo des kleinen Fensters zur Hälfte nach unten gezogen, um einen Teil des Sonnenlichts abzuhalten. Damit hatte er Laroche, ohne es zu wollen, einen Gefallen getan, denn auch er mochte nicht unbedingt das Licht, das hinter ihnen in breiten Bahnen in die Maschine fiel.
Sie hoben ab.
Sehr schnell und in einem spitzen Winkel stiegen sie hoch, und wie immer spürte Laroche den leichten Schwindel. Er überkam ihn bei jedem Start. Die meisten Gespräche waren während der Startphase verstummt, sie wurden später nur bedingt wieder aufgenommen, denn die meisten Fluggäste waren mit sich selbst beschäftigt.
Es würde bald ein Frühstück gereicht werden, und Laroche fragte sich, ob er es nicht ablehnen sollte. In seinem Magen saß ein dicker Kloß, als wäre er schon satt, was aber nicht stimmte. Es lag einfach an der allgemeinen Situation, daß es ihm nicht besonders ging. Er wollte wissen, was Kinok dachte, und er stieß ihn leicht an. Der Junge drehte den Kopf. Ein Lächeln huschte über seine Lippen. Laroche flüsterte die Frage. »Und? Hast du noch immer dieses ungute Gefühl in dir?«
»Du möchtest die Wahrheit erfahren - oder?«
»Ja.«
»Es ist noch nicht verschwunden.«
Guy schwieg. Er hob die Schultern. Dann schaute er in eine andere Richtung. Jenseits des Gangs klappten die beiden nebeneinander sitzenden Männer ihre Tabletts nach unten. Die Stewardeß schob ihren Wagen in den Gang und verteilte das Essen. Kaffee, ein Hörnchen, etwas Konfitüre und Butter.
»Ich will nichts«, sagte der Junge.
»Ich auch nicht.«
»Ich bin froh, wenn wir in London landen.«
»Ach ja?«
Kinok nickte. »Dort wird sich herausstellen, wer stärker ist. Ich habe mich gedreht, was meinem Vater nicht gefallen wird. Ich bin das Kind der Mumie, das weiß ich, das weiß er, und ich habe mich nach ihm zu richten.«
»Wirst du es denn wieder tun?«
»Nein, Guy. Ich habe einmal einen Menschen durch mich sterben sehen, das reicht.«
Wieder wunderte sich der Archäologe über die sehr erwachsen klingende Sprache des Jungen, hielt sich jedoch mit einem Kommentar zurück und schaute statt dessen zu, wie sich die Stewardeß ihnen zubeugte und ihre Waren anbot.
Sie lehnten ab.
»Auch keinen Kaffee?«
»Nein, danke.«
Die Frau lächelte und schob ihren Wagen weiter nach vorn. Sie wurde ihr Frühstück noch los.
Gut zwanzig Minuten vergingen. Die Maschine lag wie ein Brett in der Luft. Es gab keine störenden Turbulenzen, alles deutete auf einen wunderbar ruhigen Flug hin, aber der Junge wurde plötzlich nervös. Er spielte mit
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