0882 - Der Sonnen-Dämon
Shao, »du hast ja ir gendwo recht, John. Ich allerdings gehe davon aus, daß es nicht mehr notig sein wird.«
»So?« Ich stellte die heiße Pfanne wieder auf den Untersatz zurück.
»Ja, ja, denn es würde uns nur von den eigentlichen Problemen ablenken. Ich glaube, daß Kinok selbst etwas in Bewegung gesetzt hat, um die Dinge in Fluß zu bringen. Dieser Tag hier wird noch voller Überraschungen werden.«
»Wie du meinst, wir sind…«
Das Telefon meldete sich. Sein Tuten ließ uns zusammenzucken, und Shaos Gesicht nahm für einen kurzen Moment eine gewisse Starre an, als wäre jede Bewegung eingefroren.
»Das muß er sein«, sagte sie. Als Shao unsere zweifelnden Blicke sah, stand sie auf. »Ich werde abnehmen.«
Wir hatten nichts dagegen. Gespannt schauten wir ihr zu, wie sie zum Telefon ging. Sie meldete sich mit einem neutralen »Ja, bitte«, lauschte der anderen Stimme und holte durch die Nase Luft.
Mit dem Hörer in der Hand drehte sie sich zu uns um. Dabei nickte sie. Dann drückte sie den Hörer wieder gegen ihr Ohr. »Du kannst reden, Kinok, ich bin mit Freunden zusammen.«
»Tatsächlich«, flüsterte Suko. Er schüttelte den Kopf. »Das hätte ich nicht gedacht.«
Ich auch nicht, wenn ich ehrlich war, doch ich wußte, daß dieses Gespräch sehr wichtig sein würde.
Wahrscheinlich gab es dem Fall genau die Wende, auf die wir gehofft hatten. Leider erfuhren wir nicht viel, denn Shao erwiderte kaum etwas. Sie stimmte nur zu, hinterfragte kaum und legte schließlich auf. Für einige Sekunden blieb sie nachdenklich in der Nähe des Telefons stehen, ein feines Lächeln um die Mundwinkel, als wollte sie damit andeuten, daß sie es immer gewußt hatte.
»Nun rede doch endlich!« forderte Suko sie auf.
Shao kam zu uns. Sie setzte sich. Beide Ellenbogen stemmte sie neben Teller und Tasse auf den Tisch. »Ihr habt ja beide gehört, wer mich angerufen hat. Es war Kinok, und er hat mir erklärt, daß er sich in Paris befindet.«
»Bei Laroche?« fragte ich.
»Ja, er war mit ihm zusammen. Er und dieser Mann müssen sich verbündet haben, das konnte ich seinen Worten entnehmen. Er hat mir auch erklärt, daß er Laroche nicht töten will. Er hat einmal getötet, und das hat ihm gereicht. Er will Laroche retten.«
»Vor wem?« flüsterte Suko gespannt.
Shao schüttelte den Kopf. »Ich habe eine Antwort bekommen, mit der ich nicht viel anfangen kann. Der Junge sprach von einem Sonnenkult. Von einer gefährlichen Sekte, deren Mitglieder Sorath dienen, dem Sonnen-Dämon. Diese Sekte oder dieser Kult ist die treibende Kraft, und zwei seiner Mitglieder haben wir in dem Hotel kennengelernt. Sie haben mich auch zuvor töten wollen und stehen voll und ganz auf Soraths Seite. Er und seine Helfer sind die eigentliche Gefahr.«
»Für die Psychonauten«, fügte ich hinzu.
»Das denke ich mir«, sagte Shao. »Es kann durchaus sein, daß sie an das große Wissen herankommen wollen, über das die echten Psychonauten verfügen.«
»Dann brauchten sie diese nicht zu töten!« widersprach Suko.
»Stimmt auch.« Shao versank in Nachdenken. »Ich kann mir keinen Reim darauf machen, ehrlich.«
»Es gibt noch eine Möglichkeit«, sagte ich, »auch wenn sie theoretisch klingt.« Ich sprach erst weiter, als ich etwas Ei gegessen und Kaffee getrunken hatte. »Vielleicht will dieser Sonnenkult, daß keiner der echten Psychonauten übrigbleibt. Niemand soll irgendwann in die Pyramide hinein und das Wissen der Alten Welt kennenlernen. Ich habe einen Blick hineinwerfen können, ich sah nur das Licht, und ich möchte noch einmal auf die Pyramide selbst zurückkommen. Bis heute steht nicht fest, wer sie genau errichtet hat. Ihr Alter wird von den Wissenschaftlern auf ungefähr fünftausend Jahre geschätzt, doch sie ist für meinen Geschmack älter, viel älter. Da stimme ich mit den Esoterikern überein, die von einem geheimnisvollen Weltenkalender gesprochen haben, der sich dort befinden soll. Und dieser Kalender stammt von einem Volk, das es nicht mehr gibt. Ob es die Atlanter waren, da bin ich mir nicht sicher, das habe ich auch nicht herausfinden können, trotz einiger Zeitreisen.«
»Dann war das Grab, das die beiden Archäologen geöffnet haben älter als bisher vermutet?« fragte Shao.
»Davon gehe ich aus.«
»Und das Kind?«
Ich hob die Schultern.
»Ein Kind der Mumie«, sagte Suko.
»Welcher?«
»Sorath, John, nur Sorath. Etwas anderes kommt für mich nicht in Frage.« Er räusperte sich. »Es sind zwei echte
Weitere Kostenlose Bücher