0883 - Die große Pyramide
dessen Fähigkeiten Menschen zu willenlosen Sklaven macht. Ich muß es noch Chef Uchillos mitteilen.
Habt ihr einen solchen Mutanten gesehen?"
Die Frage war ein Scherz; wie fast alle Menschen, die niemals den Schock einer Versklavung durch einen fremden Verstand durchgemacht hatten, war auch Torn davon überzeugt, daß es ihn und seine Freunde nicht treffen könne. Immer waren die anderen die Opfer.
„Wie sieht er aus?" erkundigte sich Cherto.
„Keine Ahnung. Es gibt keine Bilder. Tifflor läßt nach Angaben von Informanten eine Computer-Phantomzeichnung herstellen und wird sie uns überspielen."
Die Männer waren betroffen. Keiner von ihnen hatte hier an den Arbeitsplätzen einen einzigen Mann gesehen, der einen versklavten und willenlosen Eindruck machte.
„Wie gesagt, Geheimstufe Eins. Nicht weitersagen, nur mit Uchillos oder mir darüber sprechen", rief Torn und rannte wieder auf den Gleiter zu. Sekunden später schwebte er an ihnen vorbei auf die Pyramide zu.
Voller Faszination blickte Yana auf den zweidimensionalen Kontrollschirm des Geräts. Es war auf einem Dreifuß justiert, dessen vordere Ausleger wegen der Schräglage des Kammerbodens verkürzt waren.
„Hier im Bereich der wichtigen Gänge sind die Quadern des Pyrami-deninnern nicht relativ locker gestapelt, sondern exakt aufeinanderge-fügt und aneinander angeschlossen", kommentierte sie das Bild.
„Diese Erscheinung haben wir bisher überall im Bereich von Aushöhlungen vorgefunden. Die Steinarbeiter setzten ihre Bronzemeißel mit äußerster Perfektion an. Die Schlußfolgerungen sind: Dort, wo unsere Geräte eine solche Verdichtung entdecken, kann eine möglicherweise vorhandene, bisher unentdeckte Kammer nicht weit sein. Es ist undenkbar, daß die pharaonischen Baumeister tief im Innern der Pyramide es für nötig erachteten, Scheinkammern oder Gänge einzubauen, nur zur Irreführung von Grabräubern."
Sechs Meter tief, hoch und in beide Seiten hinein: das Morrisongerät hatte ein plastisches Bild des Ganges, der Großen Kammer und des Scheingangs direkt darunter geliefert. Ergebnis: Keinerlei Verstecke, kein Geheimgang, keine Quadern, die irgend etwas versperrten. Kein Geheimnis der Pyramide.
„Wir sind in etwa einem Tag mit der Überprüfung vom Inneren aus fertig. Das größere Gerät kann hier nicht eingesetzt werden, da die Kammer maximal zwei Meter vierzehn breit ist. Zwei Drittel unserer Dokumentationsbänder sind bereits im Speicher des Zentrums.
Ich werde jetzt die Arbeiten an der Basis kontrollieren. Die Chancen, ein weiteres Versteck zu finden, werden von Tag zu Tag geringer. Knapp zwei Drittel des Kubikraums sind bereits abgesucht worden."
Sie schaltete den Recorder aus und wandte sich an den Techniker, der gerade für den nächsten Einsatz eine Schwebeplattform einstellte.
„Falls doch noch etwas gefunden wird, holen Sie zuerst mich, ja?"
„Selbstverständlich", grinste er. „Ich wüßte nicht, wen ich lieber holen würde."
„Spaßvogel", sagte sie und ging den schrägen Boden abwärts.
Als sie an die Ecke des Bauwerks kam, die zwischen Osten und Süden lag, erfuhr sie, daß die Bänder der letzten automatischen Umkreisung bereits im Zentrum waren. Durch die Wärme des herbstlichen Mittags ging sie langsam dorthin und fühlte sich beschwingt und gelöst. Die Probleme der Nacht schienen einer fernen Vergangenheit anzugehören. Sie blieb zwischen Pyramide und Fertigteilbau stehen und ließ die Umgebung auf sich wirken. Es war im Moment ziemlich still.
Wie niemand sonst war Yana geeignet, sich vorzustellen, wie es hier ausgesehen haben mochte.
Damals, in einer fernen Vergangenheit des Menschengeschlechts, das jetzt die Sterne kannte.
Wo heute Grün vorherrschte, strahlte damals der weiße Sand, der die Füße verbrannte, wenn die Priester zu den Tempeln gingen. Keine unterirdische Bewässerung, keine Klimakontrolle, nur der Reichtum eines Kulturvolks, das von der jährlichen Nilüberschwemmung lebte und praktisch jeden Quadratmeter Boden a,uf das intensivste ausbeutete. Und die gesamten Wünsche, Vorstellungen und Träume waren schließlich, wie durch eine gigantische Linse konzentriert, in den Bau einer solchen Herberge für den toten Körper des Königs eingeströmt. Die Seele des Königs weilte bei den Sternen und kam zurück, in den Körper, der dann zu den Göttern ging.
War dies das Geheimnis der Pyramide? Die Ausstrahlungen von Millionen Fellachen, Verwaltern, Soldaten und Priestern, Sklaven und
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