0883 - Labyrinth der Kugelhöhlen
ihre Kniescheibe hingegen schmerzte noch, und das würde auch noch eine Weile so bleiben. Die Zopfträgerin würde dafür bitter büßen müssen. Sie kam direkt nach dem Jungen an die Reihe.
Sinje-Li ging auf die Treppe zu, die sie nach oben zum Dachboden bringen musste.
Sie zog das eine Bein noch ein wenig nach, aber das behinderte sie wirklich kaum.
Langsam schritt sie Stufe für Stufe nach oben…
***
Die Kinder hatten keine Tränen mehr - no tears…
So war das bei der Namensgebung für den Trust sicher nicht angedacht gewesen. Jetzt wurde es zur bitteren Wahrheit.
Es war still geworden auf dem Dachboden. Die Kinder schluchzten leise, die meisten verhielten sich völlig apathisch. Millisan Tull, Manja Bannier und Rola DiBurn standen wie ein lebendiger Schutzwall vor ihren Kindern, doch jede der drei wusste, wie wenig das helfen konnte.
Rola DiBurn hörte, wie Millisan leise betete. Nun, jeder hatte seine Methode, um mit solchen Situationen fertig zu werden. Vielleicht half es ja tatsächlich, auch wenn Rola da der wahre Glaube fehlte.
Der Notruf - er war die letzte wirkliche Hoffnung für Rola gewesen, doch sie war nicht einmal sicher, ob er überhaupt abgegangen war. Die Handys jedenfalls versagten hier so kläglich wie das Netztelefon.
Artimus van Zant… verdammt, wo bist du? Du kannst doch nicht zulassen, dass hier gleich…
Rola stoppte diese Gedanken. Artimus trug nicht die Schuld. Gegen das wirklich Böse konnte man sich wohl ganz einfach nicht absichern. Eine schreckliche Einsicht, auf die sie in den wohl letzten Minuten ihres Lebens gerne verzichtet hätte.
Die Türklinke. Rola schloss kurz die Augen. Ja, Sinje-Li war nun direkt vor der Tür, die sie bestimmt nicht lange aufhalten würde. Noch einmal drückte die Vampirin die Klinke nach unten. Die Kinder hatten es bemerkt, sie begannen wieder zu wimmern und zu weinen.
Sie spielt mit uns . Rola spürte die Wut in sich aufsteigen. Und wieder gingen die Pferde mit ihr durch - nicht zum ersten Mal in ihrem Leben, aber doch sicher zum letzten Mal, wenn kein Wunder geschah.
Rola DiBurn schrie die Vampirin durch die Tür hindurch an.
»Was ist los, du Vampirschlampe? Traust du dich nicht? Was hat der Kleine mit dir gemacht? Sind deine verdammten Zähne jetzt wackelig geworden? Komm her, dann zieh ich sie dir einzeln!« Das Blut war Rola in den Kopf geschossen, und sie sah die entsetzten Blicke der anderen auf sich ruhen.
Sie blickte Millisan an. »Und? Wollen wir als Memmen sterben? Ich sicher nicht. Also los. Schnappt euch, was ihr in die Finger bekommt. Wir werden es ihr nicht leicht machen.« Rola bückte sich, hob einen Stuhl auf, der nur noch drei Beine besaß. Mit Wucht schmetterte sie ihn zu Boden, schnappte sich eines der Holzbeine. »Wenn sie uns schon kriegt, dann nicht ohne Blessuren. Was ist? Seid ihr festgewachsen?«
Und tatsächlich wurden auch Bannier und Tüll nun aktiv - selbst die größeren unter den Kindern suchten sich irgendetwas, das auch nur entfernt als Waffe zu verwenden war. Rola wandte sich wieder zur Tür.
»Komm - ich werde meine Fingernägel quer über deine Fratze ziehen, Blutsauger!«
Ein einziger heftiger Schlag reichte aus, um die Tür aus den Angeln zu stoßen. Sinje-Li stand wie die Inkarnation des Bösen im Türrahmen.
Warum zögert sie? Rola DiBurn spürte, wie ihr Herz bis zum Hals hinauf schlug. Jetzt war es vorbei - sie hatten keine Chance mehr, hatten vielleicht nie eine gehabt. Das Stuhlbein in ihrer Hand fühlte sich mit einem Mal so schwer und so nutzlos zugleich an. Die Vampirin schien diesen Augenblick zu genießen, was das kalte Lächeln um ihren Mund deutlich bewies. Und sie genoss ihn ausgiebig. Vielleicht ein wenig zu lange…
***
Etwas flog an Rolas Kopf vorbei, klatschte gegen Sinje-Lis rechte Schulter Die Vampirin machte einen wütenden Schritt nach vorne, direkt auf Rola zu, die zitternd ihre provisorische Keule hob. Doch sie brauchte sie vorerst nicht einzusetzen.
Ein Geräusch, das an eiserne Kugeln erinnerte, übertönte das Weinen der Kleinen unter den Kindern. Dann schlug etwas heftig gegen die Beine der Vampirfrau.
Rola traute ihren Augen nicht, als Sinje-Li nach vorne kippte, erneut zu Boden ging. Der Verursacher war niemand anderes als Julo, der auf seinem Skateboard mit voller Beschleunigung gegen die Vampirin gefahren war.
Das alles zögerte das Ende nur heraus, so viel war sicher, doch Sinje-Li sollte diese Nacht nicht so schnell vergessen - Rola schwor es sich noch
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