0883 - Mörderisch
Rand füllte die Wirtin die Gläser.
Man mußte schon ruhige Finger haben, um sie anheben zu können. Maggie schaffte es nicht, und etwas von der bräunlichen Flüssigkeit schwappte über.
Sie leerten die Gläser. Der Konstabler meinte, daß Maggie nervös wäre, als sie ihre Finger an den Jeans trocken wischte. »Das liegt bestimmt an dem Gesicht.«
»Kann sein, Paul.«
»War es denn so schrecklich?«
Maggie dachte nach. »Irgendwo schon. Es war ein Gesicht, zu dem auch ein haarloser Schädel gehörte. Jetzt kannst du meinetwegen lachen, aber so habe ich ihn erlebt. Glatzköpfig, und ich sah Augen, die mir Furcht einjagten. So anders…«
»Wie anders?«
»Das kann ich nicht beschreiben. Als wären einem Menschen unnormale Augen- eingepflanzt worden. Ist natürlich Quatsch«, sagte sie, mit einer Hand abwinkend. »Aber so habe ich es erlebt.« Sie schüttelte sich für einen Moment, schaute ihren Sitznachbarn an, auf dessen Gesicht sich ein breites Lächeln ausbreitete.
»Du nimmst mich nicht ernst, wie?«
»Doch, Maggie, ich glaube dir, was du gesehen hast. Aber hast du vergessen, daß wir Halloween haben?«
Die Wirtin saß für einen Moment unbeweglich. »Das hatte ich da in der Tat.«
»Eben. Jemand hat sich schon verkleidet, schaute in den Gastraum und wollte dir einen Schrecken einjagen.«
»So wird es sein.« Maggie hatte zwar gesprochen, aber es hatte sich nicht so angehört, als wäre sie von ihren eigenen Worten überzeugt. Da steckten noch immer tiefe Zweifel in ihr, die der Konstabler auch nicht nähren wollte.
Er schaute auf seine Uhr und sagte: »Für mich wird es Zeit, meine erste Runde anzutreten. Ich denke, daß auch bald die Gestalten in den Straßen erscheinen werden. Ich möchte ihnen noch einmal erklären, daß sie nichts zerstören sollen. Zuvor gehe ich noch mal zurück in mein Büro. Du schreibst an?«
»Klar, am Samstag wird abgerechnet.«
»Gut.« Preston stand auf. Er strich über seinen Bauch. »War mal wieder super, Maggie. Wärst du nicht schon mit Tim verheiratet, ich glaube, ich wäre schwach geworden.«
Sie drohte ihm mit dem Finger. »Ich möchte nicht nur wegen meiner Kochkünste geheiratet werden.«
»Darüber ließe sich reden.«
»Ja, ja, Paul, ich weiß.« Sie drückte den Konstabler in Richtung Tür. »So alte Junggesellen wir du können gut lügen.«
»Das würde mir bei dir nie einfallen, Maggie!« erwiderte der Konstabler beim Hinausgehen.
»Klar, ich glaube dir alles.«
»Du bist einfach zu mißtrauisch.«
»Das hat mich das Leben gelehrt.« Sie schaute über die Straße. Nebel floß in weichen Schlieren zwischen den Häusern dahin. Er hatte keinen Anfang und kein Ende. Er war da, und er würde auch wieder verschwinden. Die Lichter hinter den Fenstern sahen so weit entfernt aus und schwebten wie helle Lappen in der Luft.
»Ich wünsche dir eine gute Nacht, Maggie. Und paß auf die fremden Gesichter auf.«
»Danke, werde ich machen.«
Preston tippte gegen seine Mütze und verließ den Schein der Eingangsbeleuchtung. So wie er über die Straße ging, sah nur ein satter und zufriedener Mensch aus. Bis zu seiner Dienststelle hatte er es nicht weit. Sie lag auf der anderen Straßenseite, und die einsame Lampe über dem Eingang sah aus wie ein heller Kugelkopf. Kinder hatten mal das Gesicht des Konstablers darauf gemalt und Preston damit einen Streich spielen wollen. Diese Kinder waren bereits unterwegs. Er sah sie nicht, aber er hörte sie, denn sie hielten sich jenseits der Hauptstraße auf, und ihr unheimlich klingender Singsang hallte über die Dächer hinweg. Das Wort Halloween kam des öfteren darin vor. Mal schrill und mal dumpf gesungen, aber immer unheimlich klingend, wofür der Nebel sorgte.
Konstabler Paul Preston war kein ängstlicher Mensch. Für eine Halloween-Nacht hatte er nur ein Lächeln übrig - normalerweise, doch an diesem Abend gefiel ihm der Gesang überhaupt nicht. Er machte ihn nervös und reizbar. Preston schalt sich einen Narren und überlegte, woher dieses Gefühl stammen konnte. Möglicherweise lag es an Maggies Bericht über das Gesicht. Sollte da tatsächlich mehr dahinterstecken, als sie beide angenommen hatten?
Das fehlte ihm noch.
Dieses Einsickern fremder Typen aus der Großstadt, die sich einen Ort wie Quindon für ihre Spiele ausgesucht hatten. Dem wollte er so bald wie möglich einen Riegel vorschieben. Und er war auch bereit, seine Waffe mitzunehmen, die in einem Safe in seiner Wohnung lag. Er hatte sie selten
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