0884 - Mondwölfe
Die Kante drückte das Blech tief ein. Wir hörten das Kreischen, Splittern und schauten zu, wie der Volvo abzuheben schien.
Das schaffte er aber nur mit den Hinterrädern, dann trieb ihn die Aufprallwucht herum. Er drehte sich nach rechts und knallte mit der hinteren Seite gegen die andere Kante der Einfahrt.
Wieder »schrie« das Blech. Scheiben gingen zu Bruch. Der Kotflügel wurde nach innen gedrückt.
Scharfes Metall bohrte sich in die Reifen hinein. Glasscherben wirbelten über den Boden, und hinter dem Steuer bewegte sich der Fahrer wie eine zuckende Puppe, denn er selbst reagierte in diesem Augenblick nicht.
Er war auch nicht angeschnallt gewesen. Die erste Aufprallwucht hatte ihn nach vorn geschleudert.
Er war mit dem Kopf gegen die Frontscheibe geprallt und hätte eigentlich schwer verletzt sein müssen, aber er lebte noch und bewegte sich.
Er wollte raus!
Von seinem Standort wäre es nicht schlecht gewesen. Er hätte nach dem Öffnen der Fahrertür in die Einfahrt hineinlaufen können. Zwei Dinge standen dagegen.
Zum einen bewegte sich der demolierte Volvo wieder in die andere Richtung, und zum anderen klemmte die Fahrertür. Der Wagen stand jetzt schräg zur Öffnung der Einfahrt, und hinter den Scheiben bewegte sich der Fahrer zuckend hin und her.
Er schien es nicht zu begreifen, daß sich die Tür verklemmt hatte. Immer wieder rüttelte er daran, kam aber nicht weg.
Zuschauer gab es auch schon. Um die kümmerten wir uns nicht. Ich umlief den Volvo, an seinem Heck und wollte Suko zu Hilfe eilen, der bereits an der Fahrerseite stand, wo er die Tür aufzerren mußte.
Das Feuer sahen er und ich zugleich!
Kleine Flammen, die über die Kühlerhaube schossen. Das heißt, sie huschten eigentlich durch den Motorraum, denn die Kühlerschnauze war durch den Aufprall aus ihrer Halterung gerissen worden, hatte sich aufgestellt und war trotzdem verbogen. So sah sie aus wie eine starre Welle mit einem spitzen Rücken.
Wir mußten weg.
Der Wagen konnte jeden Augenblick zu einer Flammenhölle werden, denn beiden war uns bekannt, wie schnell sich ein derartiges Feuer ausbreiten konnte.
Wir liefen zurück auf den Hof.
Im Volvo bewegte sich der Fahrer. Er versuchte es jetzt an der anderen Tür und hatte sich dabei über den Sitz gebeugt.
Er drückte - und bekam sie auf.
Da schnappte das Feuer zu.
Vielleicht hätte der Mann es noch geschafft, dem Wagen zu entfliehen, aber er saß nicht, sondern lag über dem Sitz. In der Zeit, bis er eine andere Position erreicht hatte, war das Feuer bereits über ihn gekommen, und es hatte sich in einen gleißenden, heißen Tod verwandelt, denn auch das Benzin hatte sich entzündet.
Im Nu umgab das Fahrzeug ein Meer aus Flammen. Es war der reine Wahnsinn, denn so schnell breitete sich ein Feuer nur selten aus. Wir lagen am Boden, die Explosion hatte den Wagen zerrissen. Flammen waren wie gierige Finger, sie wurden von dichten schwarzen Rauchschwaden umtanzt, die den Volvo wie einen Käfig umgaben.
Eine Chance hatte der Fahrer nicht.
Und trotzdem versuchte er es.
Es regnete brennendes Benzin. Flammentropfen fielen dem Erdboden entgegen und flackerten dort weiter. Der Volvo selbst war eine einzige Gluthölle. Längst hatten auch die Polster Feuer gefangen, der dicke, schwarze Rauch vernebelte den Hinterhof, und die Schwaden kamen uns vor wie der Atem eines gewaltigen Ungeheuers, in dessen Zentrum sich jemand hervordrückte.
Es war der Fahrer, der das Auto endlich verlassen konnte. Er kroch an der Beifahrerseite heraus, und wir schauten ihm direkt entgegen. Bei klarer Sicht hätten wir ihn genau erkennen können, aber auch jetzt sahen wir, daß wir es nicht mehr mit einem Menschen zu tun hatten, sondern mit einer pelzigen Bestie.
Das war ein Werwolf.
Und er wurde von einem Flammenmantel umgeben, der ihn umhüllte und auffraß.
Er tanzte über den Boden. Die Arme hielt er in die Höhe gereckt. Auch an ihnen rannen die Flammen entlang, und sie waren dabei, sein schon verändertes Gesicht zu zerschmelzen.
Dann brüllte er.
Es waren keine menschlichen Schreie mehr, die über den Kopf gellten. Dieses Brüllen paßte und gehörte zu einer Bestie, und die Schreie zitterten über den Hinterhof, als wollten sie den Rauch und die Flammen vertreiben.
Beide waren stärker.
Vor unseren Augen schmolz die Bestie zusammen. Sie sackte dabei in die Knie, stemmte sich noch mit den Händen auf und machte den Eindruck einer Feuerbrücke.
In den nächsten Sekunden sahen wir nichts
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