0884 - Mondwölfe
inzwischen Gedanken darüber gemacht, daß wir eine Spur finden mußten, und ich hoffte stark, daß uns Tracy Ralston dabei helfen konnte.
»Bitte, Mrs. Ralston, auch wenn es Ihnen schwerfällt, so möchte, ich Sie doch fragen, ob Sie etwas für uns tun können. Überlegen Sie genau, denn diese Verwandlung kam ja nicht von einem Tag auf den anderen. Da muß etwas vorgefallen sein. Da muß es Hinweise oder Spuren gegeben haben. Ich weiß nicht, wie vertraut sie miteinander waren, Ihr Mann und Sie, aber ich kann mir vorstellen, daß er mit Ihnen gesprochen hat. Oder liege ich da falsch?«
»Gesprochen?«
»Ja.«
»Über sein Problem gesprochen?« Ich nickte.
Tracy Ralston hob die Schultern. »Sie verlangen viel von mir, wenn ich mir überlege, was in den letzten Wochen so alles passiert ist. Sie wollen sicherlich mehr über die Zeit nach dem Krankenhausaufenthalt meines Mannes erfahren.«
»Das würden wir gern.«
Sie bat um eine Zigarette, die sie von mir bekam. Ich gab ihr auch Feuer und sah dabei zu, daß sie es kaum schaffte, die Zigarette ruhig zu halten. »Die Zeit war nicht einfach für uns beide, weil sich mein Mann doch sehr verändert hatte. Vor der Zeit in der Klinik hat er am Abend immer wieder in die Glotze geschaut, da war der Apparat für ihn das Allerhöchste, aber in den Tagen danach sah alles anders aus. Da kam er mir vor wie jemand, der sich verkriechen wollte, der sich in sich selbst zurückzog. Natürlich war ich mißtrauisch, ich habe ihn auch gefragt, aber nur Antworten erhalten, die man als nichtssagend ansehen kann. Er sprach davon, daß es nur ihn etwas anginge.«
»Haben Sie sich tatsächlich damit zufriedengegeben?« wollte ich wissen.
»Nein.«
»Was taten Sie?«
»Ich bohrte nach. Ich war aber vorsichtig, denn Dorian konnte hin und wieder jähzornig werden. Es gab da Phasen, die er nicht kontrollieren konnte.«
Ich wollte es genauer wissen und fragte: »Bei sich selbst?«
»Ja.«
»Das müssen Sie erklären.«
»Natürlich, gern. Es ging da um die Nächte, um die Träume meines Mannes. Sie müssen schrecklich gewesen sein, denn oft genug wachte er auf und sprach. Oder er schlief weiter, befand sich vielleicht in einem Zwischenstadium. Aber die Träume waren so grauenhaft, daß ich mit ihnen einfach nicht zurechtkam. Er hat sogar geheult und geknurrt, und er hat immer wieder von einem Mond gesprochen.«
»Meinte- er den normalen Mond?«
Sie schüttelte den Kopf. »Das glaube ich nicht. Er sprach von einer Gestalt im Mond.«
»Morgana Layton«, sagte ich.
»Wie bitte?«
»Schon gut. Sprechen Sie weiter.«
»Es war der Mond mit dem kalten Licht, der ihn anzog. Ein… ein schrecklicher Wintermond, der kalt wie eine Scheibe am Himmel hängt und seine Kraft über die Welt verteilt, wobei sie auch meinen Mann erwischte, denn sonst hätte er darüber nicht reden können. Dieser Mond war es, dessen Schein in seine Träume eindrang, den Keim noch mehr erblühen ließ und ihm den Weg zeigte.«
»Wohin?« fragte Suko.
Tracy nickte. »Ja«, sagte sie. »Ja, das ist eine gute Frage. Wohin denn, verflucht?«
»Wissen Sie nicht Bescheid?«
»Ich überlege.«
»Also hat er etwas gesagt?«
Die Frau legte einen Finger gegen ihr Kinn und nickte mir zu. »Ja, er hat etwas gesagt. Er sprach von einem Ziel, das es zu erreichen galt. Aber nageln Sie mich bitte nicht fest, denn ich kann Ihnen nicht sagen, wo dieses Ziel zu finden ist.«
»Gab es denn keinen Hinweis?«
Tracy lehnte sich zurück. Sie schaute auf die Asche im Aschenbecher, bevor sie den Kopf schüttelte. »Ein Hinweis ist etwas anderes. Etwas Konkretes, aber er hat sich so genau nicht ausgedrückt. Er sprach von einer Ferne, von einem einsamen Platz, wo sich die Mondwölfe treffen würden. Und er redete dabei nie in einem Zusammenhang. Ich mußte mir alles erarbeiten, zudem lagen immer wieder sprachlose Nächte dazwischen, wenn Sie verstehen.«
»Erwähnte er Namen?« wollte ich wissen.
»Nein - oder…?«
»Morgana Layton! Sagt Ihnen dieser Name etwas, Mrs. Ralston?«
Sie überlegte. Mit der Zungenspitze fuhr sie über die trockenen Lippen. »Nein, eigentlich nicht. Es kann sein, daß er ihn mal erwähnte, aber ich habe ihn dann nicht verstanden. Er redete zumeist von den Mondwölfen. Das war für ihn wichtiger.«
»Mondwölfe, die sich treffen?«
»Davon gehe ich aus.«
»An einem einsamen Ort.«
»Ja.«
»Zu dem Ihr Mann wahrscheinlich unterwegs ist?«
»Auch das ist möglich.«
»Und den müssen wir auch
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