0884 - Mondwölfe
hinter sich hatte.
»Wann war das?« fragte Suko.
»Heute, Inspektor, heute.«
»Gut, bitte…«
Sie sprach weiter und war auch davon überzeugt, daß sie nicht heil aus der Wohnung des Mannes herausgekommen wäre, hätte sie es nicht geschafft, ihm den heißen Kaffee ins Gesicht zu schütten.
»Es war vielleicht nicht fair von mir, aber ich wußte mir keinen Rat mehr. Sie glauben gar nicht, wie ich gerannt bin, als wäre der Leibhaftige hinter mir her. Erst als ich nicht mehr konnte, blieb ich stehen.« Nun atmete sie demonstrativ durch. Die Zigarette hatte sie längst ausgedrückt. Der Stummel lag krumm im Ascher.
»Und dann liefen Sie zur Polizei«, sagte Suko.
»Ja, das tat ich. Es war auch keine spontane Idee, ich hatte mir darüber schon in der Wohnung Gedanken gemacht. Das müssen Sie sich mal vorstellen, da sehen sie plötzlich einen Menschen, auf dessen Schulter dichtes Fell wächst. Und das war echt, der Mann hat es mir auch versichert.«
Ich hatte mich aus dem Gespräch herausgehalten, aber in meinem Kopf drehten sich die Gedanken.
Der Fall wer mir fremd, doch auf eine bestimmte und für mich noch nicht nachvollziehbare Art und Weise kam er mir auch bekannt vor.
Als Rita Buckly damit geendet hatte, wo sie auf uns gewartet hatte, stellte ich die erste Frage. »Sagen Sie bitte, Rita, wie hieß der Mann, bei dem Sie übernachtet haben?«
»Jackson hieß er. Bill Jackson.«
Wir schwiegen, aber wir saßen beide kerzengerade, denn diesen Namen hatten wir schon mal gehört.
Suko schaute mich starr en. »Weißt du es, John?«
»Nein, im Moment nicht, aber…«
Mein Freund nickte. Genau dieses Aber ist mir auch durch den Kopf geschossen. »Der Name Jackson ist mir nicht unbekannt.«
»Es gibt viele Jacksons in London«, sagte Rita.
Wir gaben ihr recht, überlegten aber weiter. Ich trommelte mit den Fingern auf der Schreibtischplatte herum. Die erste Tasse Kaffee hatte ich leer, mein Verstand wurde nicht mehr von irgendwelchen Grappawellen umnebelt, und es war Suko, der auf den richtigen Gedanken kam. Zuvor murmelte er die Namen noch einige Male vor sich hin. Auch Rita Buckly sagte nichts mehr, sie wollte unsere Konzentration auf keinen Fall stören.
»Da war etwas vor drei, vier Wochen, John. Erinnere dich, als Morgana Layton mit ihrer Horde einfiel und dabei Tote und Verletzte zu beklagen waren. Und erinnere dich euch an das Finale im Krankenzimmer, in dem die sechs Verletzten lagen…«
»Da hast du Melanie Morton erschießen müssen, diese Stripperin.«
»Ja, leider, aber darauf wollte ich nicht hinaus.« Suko dachte noch einmal nach. Ich wußte, daß die Vorgänge innerhalb des Krankenzimmers noch einmal vor seinem geistigen Auge abliefen. »Da war ein Mann, der Zeitung gelesen hat. Er war en der Schulter verändert, aber dort zeigte sich keine Haut, sondern das Licht.«
»Stimmt.«
Suko schnickte mit den Fingern. »Jetzt hebe ich es. Weißt du, wie der Mann hieß?«
Ich nickte. »Bill Jackson!«
»Genau!«
***
Es war schlimm gewesen. Der heiße Kaffee hatte nicht nur die Gesichtshaut des Mannes verbrüht, er war auch in seine Augen gedrungen, die er nicht so schnell hatte schließen können. Es war ihm vorgekommen, als wollte das Zeug seine Augen ausbrennen wie vor alter Zeit die glühenden Eisenstäbe der Folterknechte die Gefangenen zu Tode gequält hatten.
Jackson hatte dem heißen Kaffee noch ausweichen wollen, was ihm nicht gelungen war. Durch die heftige Bewegung war er vom Hocker gerutscht und zu Boden gefallen. Dort rieb er sich die Augen, schrie, fluchte und wälzte sich dabei hin und her.
Er hatte nichts anderes mehr mitbekommen, auch nicht die Flucht dieser Frau, die ihn verletzt hatte.
Wahrscheinlich hatten die Nachbarn seine Schreie gehört, doch in diesem Haus kümmerte sich keiner um den anderen. Den Leuten war es egal, wie es den Nachbarn ging, Hauptsache, sie selbst wurden nicht belästigt. Es war die Gleichgültigkeit der Ellbogengesellschaft. Eine schlimme Entwicklung.
Wie ein weidwundes Tier war Jackson durch die Küche gekrochen und auf die Tür zu. Er hatte die Augen wieder aufgerissen, konnte aber noch nicht viel sehen.
Dann hatte er sich aufgerafft und war halbblind in seine Naßzelle getaumelt. Er wollte und brauchte Wasser, um das Gesicht und seine Augen kühlen zu können.
Auch in die Zelle kroch er auf allen vieren hinein. Am Waschbecken zog er sich in die Höhe. Zum Glück brach es nicht aus der Wand.
Jackson drehte voll auf. Wasser schäumte ins
Weitere Kostenlose Bücher