0886 - Todesjagd
brüllte vor Schmerzen auf. Ihr Schreien war lauter, als das zersplittern des Glases.
Clifford hetzte ihr hinterher, doch als er auf den Balkon trat, war sie schon verschwunden.
Der Kalifornier löschte erst die brennende Stehlampe, dann kümmerte er sich um Colleen Wilder. Die alte Dame hatte Glück gehabt. Nur noch wenige Sekunden und sie wäre erstickt.
Clifford rief die Polizei und einen Krankenwagen, doch bevor die Helfer für Colleen Wilder eintrafen, war auch er verschwunden.
***
Die Hitze traf Zamorra wie ein Fausthieb.
Eben noch hatte er sich im kühlen Keller von Château Montagne aufgehalten, am Ende des Labyrinths aus Gängen, wo das Kuppelgewölbe mit den mannshohen Regenbogenblumen stand.
Die fantastischen Pflanzen existierten nur an wenigen Stellen der Erde und tauchten in keinem biologischen Lehrbuch auf. Ihre Blüten welkten nie, sie befanden sich das ganze Jahr über in voller Pracht. Wie das funktionierte, wusste trotz jahrelanger Suche niemand, ebenso, wer die freischwebende Mini-Sonne hier unten installiert hatte. Die großen Kelche schlossen sich bei Dunkelheit, um sich wieder zu öffnen, wenn Licht sie erreichte, doch hier brannte das Licht der Mini-Sonne das ganze Jahr über.
Wer zwischen die Blumen trat und eine exakte Vorstellung von seinem Zielort besaß, trat zwischen den dortigen Blumen wieder ins Freie. Der Transport erfolgte ohne Zeitverlust, quasi in Nullzeit. Dabei war es unerheblich, ob sich das Ziel auf der gleichen Welt befand oder in einer anderen Dimension. Man konnte sogar in eine andere Zeit reisen.
Selbstverständlich befanden sich auch Regenbogenblumen vor Tendyke's Home, dem Bungalow von Zamorras Freund Robert Tendyke. Zamorra hatte schon vor Jahren »Gärtner« gespielt, denn auf diese Weise ließen sich die Reisezeiten zwischen den Kontinenten auf ein Minimum drücken. Und obwohl es Nacht war, hielt er die Temperaturen kaum aus.
Hohe Luftfeuchtigkeit und brütende Hitze überfielen ihn sofort, trieben ihm den Schweiß aus den Poren und ließen ihn aufstöhnen.
»Ist hier der Hochsommer ausgebrochen oder ist das etwa Schlechtwetter von der anderen Seite?«, scherzte er, als ihn eine der Peters-Zwillinge mit einer Umarmung empfing.
»Weder noch«, lachte die schlanke Frau mit den blonden Haaren. »In letzter Zeit gibt's hier öfter Wetterkapriolen.«
Wie so oft frönte sie ihrer »Textilien-Allergie« und lief zu ihrem und zu Zamorras Vergnügen splitternackt herum. Dem Meister des Übersinnlichen machte das nichts aus, er wäre überrascht, wenn sie anders herumliefe.
»Uschi?«, fragte Zamorra und kniff die Augen etwas zusammen. Er hatte immer allergrößte Schwierigkeiten, die beiden identischen Schwestern auseinander zu halten. Nicht umsonst nannte man sie »die zwei, die eins sind«.
»Erraten«, lachte der blonde Nackedei.
»Ich hatte mich telefonisch angemeldet. Wo sind deine Schwester und Rob?«, erkundigte er sich, froh darüber, zum ersten Mal eine der Zwillinge auf Anhieb erkannt zu haben.
»Sind beide geschäftlich unterwegs«, antwortete Uschi Peters. »Rob bereitet wieder eine seiner Unternehmungen vor, und Moni hilft ihm dabei. Und ich bin der neue Haus- und Hofhund.«
»Hoffentlich hast du keine Tollwut«, neckte Zamorra, während sie auf den Eingang des Bungalow zugingen. Tendyke's Home besaß eineinhalb Stockwerke und stand auf einem sehr großen Privatgrundstück. Haus, Garage und Werkstatt waren von großen Bäumen und Büschen umgeben und gut gegen Beobachter abgeschirmt. Das Gesamtgrundstück war gegen Räuber und Alligatoren sehr weiträumig umzäunt, an der Zufahrtstraße gab es ein elektrisches Tor mit Videoüberwachung, Fernsteuerung, aber auch direktem Kodegeber. Mit anderen Worten: Tendyke's Home war einer der am besten bewachten Orte der Erde. Zamorra wusste, dass die Einsamkeit trog. Beim ersten Anzeichen von Gefahr, griff der Sicherheitstrupp, der sich nur selten offen sehen ließ, unbarmherzig und ohne zu Zögern ein.
»Ich muss nur gegen Staupe und gegen Zecken geimpft werden«, ging Uschi auf den flachsenden Ton ein, als sie das Haus betraten.
Zamorra grinste, er liebte diese Art Humor.
»Uschi, ich muss auf dem schnellsten Weg nach San Antonio«, erklärte er, während er das schweißnasse kurze Hemd auszog.
»Ich weiß, du hast ja die Mail von Pascal an mich weitergeleitet.« Sie setzte sich, studierte das Foto am Laptop im Wohnzimmer und schüttelte den Kopf. »Mit Menschenblut geschrieben, ich fasse es nicht. Was
Weitere Kostenlose Bücher