0887 - Das Horror-Pendel
beschäftigt gewesen, daß er nicht bemerkt hatte, wie schnell die Gestalt gewesen war.
Plötzlich stand sie vor ihm, und Heinz Hollmann schauderte zusammen, als er die Kälte spürte, die ihm entgegenfloß.
Die unheimliche Gestalt strahlte sie ab, und es war eine Kälte, wie er sie in dieser Form noch nicht erlebt hatte. Die Kälte der Angst, dieses Gefühl, verloren zu haben, das aus seinem Innern hervorstieg und ihn so quälte, daß ihm die Sucht für die Realitäten verlorenging. Er betrachtete das Gesicht der Kapuze. Die rissige Haut erinnerte ihn an die eines uralten Mannes.
»Wer bist du…?«
Hollmann erhielt keine Antwort. Aber die Kälte blieb, und ihm kam plötzlich eine Idee. »Bist du der Tod in Verkleidung?«
Nichts rührte sich in diesem Gesicht. Die Augen waren und blieben dunkel, die Haut ebenfalls, und Hollmann wußte, daß er etwas unternehmen mußte. Hinter der Gestalt begann die Treppe.
Und jenseits der Treppe schimmerte die Helligkeit.
Der Ausgang?
Es gab für ihn keine andere Erklärung, und er durfte nicht mehr spekulieren, er mußte es versuchen.
Durch keine Bewegung gab Hollmann zu verstehen, was er vorhatte. Plötzlich stemmte er sich ab, sprang nach vorn, streckte die Arme aus, um den anderen zu packen, ihn zur Seite zu wuchten, damit er endlich freie Bahn hatte.
Seine Finger umklammerten die Falten des alten Stoffes. Er fühlte sich an, als würde er jeden Augenblick zu Staub zerfallen.
Da war kein Widerstand – kein Körper! Hollmann hörte sich selbst schreien, als er stolperte. Der eigene Schwung riß ihn von den Beinen, denn daß er ins Leere gefaßt hatte, konnte er nicht begreifen. Dabei hatte er das Gesicht in der Kapuze gesehen, es mußte einer Gestalt gehören, einem Mann, einem – wie auch immer. Der Schmerz war böse. Er sägte durch seinen Kopf, als wollte er ihn spalten.
Erst jetzt fiel ihm ein, daß er mit der Stirn gegen eine Stufenkante gefallen war. Die Haut war über den Brauen aufgeplatzt, er spürte auch das Blut aus der Wunde strömen, ein nasser Fleck auf seinem Gesicht, mehr war es nicht.
Sekundenlang befand er sich in einem Zustand der Entscheidungslosigkeit. Durch den Gegendruck der Arme wollte er sich in die Höhe stemmen, es war nicht mehr möglich.
Keine Kraft mehr – aus und vorbei!
Auf den drei untersten Stufen der Treppe sackte Heinz Hollmann zusammen und blieb regungslos liegen…
***
Kalt war ihm, so verdammt kalt!
Hollmann stöhnte.
Nicht allein wegen der unnatürlichen Kälte auf seinem Körper, es gab noch einen anderen Grund. Kopfschmerzen plagten ihn. Die Stiche durchtanzten ihn wie Wellen mit gezackten Kämmen. So hart, daß sie sein Denk- und Erinnerungsvermögen beeinträchtigten und er sich zunächst sammeln mußte wie ein Schüler, der eine Mathe-Aufgabe lösen wollte.
Ja, so und nicht anders.
Er war aus seinem normalen Leben herausgerissen worden, man hatte ihn in eine Hölle gelockt, man hatte ihn…
Die Erinnerung war wieder da.
Blitzartig und brutal!
Hollmann hörte sich selbst schreien und stöhnen. Sein Gesicht war nicht nur kalt, auf der Haut lag auch der Schweiß wie kühles Öl, und als er die Augen aufriß, da glaubte er, über sich einen gewaltigen Schatten hängen zu sehen.
Das war nicht alles, das war für ihn Nebensache, denn zugleich spürte er etwas anderes.
Er konnte sich nicht mehr bewegen. Zumindest nicht seine Arme.
Sie waren ausgestreckt und fixiert. Auch die Hände konnte er nicht mehr anheben, da sie in kalten Metallringen steckten, die sich um seine Gelenke gelegt hatten.
Die Furcht war wie ein böser Schlag mit einem glühenden Hammer. Er war hilflos, man hatte ihn gefesselt, und man hatte seinen Oberkörper von der Kleidung befreit. Er trug nur seine Hose sowie die Schuhe. Jetzt wußte Hollmann, weshalb ihm so kalt geworden war, aber das hatte für ihn persönlich keine Bedeutung.
Aus eigener Kraft würde er sich nicht befreien können, er war ja auch nicht von selbst in diese Lage hineingerutscht, da gab es andere Tatsachen.
Eine davon sah Hollmann, als es ihm gelang, den Kopf ein wenig zu heben.
Zugleich war ihm ein zuckender Widerschein aufgefallen, der zuerst über den Boden und dann über seinen Körper hinweggehuscht war, jetzt aber näher an ihn herankam und sein Gesicht streifte.
Der Schein der Fackel.
Von allein schwebte sie nicht in der Luft, denn gehalten wurde sie von dem unheimlichen Kuttenträger, dieser körperlosen Gestalt, wie er sich zu erinnern glaubte. Sie hielt die
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