0887 - Das Horror-Pendel
entfliehen können. Mit tödlicher Präzision schwang es hin und her und glitt dabei immer tiefer.
Husch… husch …
Heinz Hollmann hätte sich längst an die Geräusche gewöhnen müssen, er schaffte es nicht. Jedes »Husch« erinnerte ihn an seinen eigenen Herzschlag, der bald nicht mehr zu hören war.
Hollmann hatte geweint. Nicht geschrien. Dafür gejammert wie ein Tier, das lange eingesperrt war. Herzerweichend gejammert, und er hatte dabei das Bild seiner Frau vor Augen gehabt. Ihr Bild, das ihrer gemeinsamen Wohnung, die er in der Nacht verlassen hatte, weil ihn dieses verdammte Haus mit seinem Ruf lockte.
Das war in Hamburg gewesen.
Doch jetzt? Wo hielt er sich jetzt auf? Noch immer in Hamburg, unter der Erde, im Keller des Psycho-Hauses? Würden hoch über ihm ahnungslose Menschen durch das Haus wandern und den normalen Schrecken erleben, während er im Keller lag und der Tod in Form eines scharf geschliffenen Steinpendels immer näher kam?
Es bewegte sich nicht mal schnell, sondern mit einer schon perversen Schwerfälligkeit, aber er ließ sich auf seinem Weg nach unten nicht aufhalten.
Näher und näher rückte der Tod…
Und derjenige, der alles verschuldet hatte? Wo steckte er?
Ein paarmal hatte Heinz Hollmann versucht, den Kuttenträger zu entdecken. Es war ihm nicht gelungen. Seine Blicke waren ausschließlich durch das leere Gewölbe gewandert. Er hatte nur die Schatten gesehen und den hellen breiten Streifen, der von oben her auf die Stufen der Treppe fiel, in deren Mitte aber versickerte.
Hatte das Schreien überhaupt einen Sinn? Würden ihn diejenigen hören, die sich hinter der offenen Tür am Ende der Treppe aufhielten? Heinz wußte es nicht. Es war auch nicht sicher, ob es dort ins Freie ging.
Nichts war sicher, bis auf eines.
Er würde sterben.
Husch… husch …
Wieder sackte das schwere Pendel tiefer…
***
Der Priester hieß de Luca und hatte eine Gänsehaut bekommen, die auch nach unserem Bericht nicht weichen wollte. Er trank hastig einen Schluck Wein, schaute uns an, hob die Schultern und merkte auch, daß wir auf einen Kommentar seinerseits warteten.
Er stotterte, als er sprach. »Das… das … kann ich einfach nicht glauben, Abbé.«
»Es stimmt.«
De Luca nickte. »Noch einmal von vorn, aber ganz kurz. Sie sind also der Meinung, daß hier in Los Cantos jemand sein Unwesen treibt, der schon als Inquisitor schreckliche Taten begangen hat?«
»So ist es.«
»Und der Mann heißt Amero.«
»Das stimmt auch. Kennen Sie ihn?«
»Nein. Wie auch?« De Luca schüttelte den Kopf. »Er muß doch schon seit einigen Hundert Jahren tot sein, denke ich. Oder sind Sie anderer Meinung?«
»Wir stimmen mit Ihnen überein.«
Der Pfarrer lachte. Fröhlich klang es nicht, und er fragte: »Wie kann er dann noch leben? Er muß längst zu Staub zerfallen sein. Es wird nicht mal mehr Knochen von ihm geben.«
»Ich gehe davon aus«, erklärte der Abbé, »daß Amero einen Pakt mit dem Teufel geschlossen hat.«
»Und deshalb nicht tot ist?«
»Ja.«
Der Priester preßte seine Hände gegen die Stirn. »Das ist mir zu hoch«, flüsterte er. »Tut mir leid, aber da komme ich nicht mit. Ich kann einfach nicht glauben, daß jemand so lange überlebt hat. Wie sollte er das geschafft haben?«
»Da müßten wir ihn selbst fragen«, sagte ich.
»Wunderbar. Und vorher finden, wie?«
»So ist es.«
De Luca schüttelte den Kopf. »Ich weiß nicht, auf was ich mich da eingelassen habe. In meinem Leben habe ich schon viele Geschichten gehört, aber keine hat so geklungen, wie diese hier. Wenn wir ihn finden wollen, müssen wir irgendwo anfangen.« Er schaute jetzt den Abbé an. »Haben sie auch ›sehen‹ können, wo wir diesen Mörder suchen müssen?«
Bloch blieb ernst. »Das haben wir in der Tat. Sie kennen das alte Castell in den Bergen?«
»Sie meinen das Schattenschloß?«
»Wird es sq genannt?«
»Ja, weil es so düster ist und an einem Ort steht, an den kaum Sonne hingelangt.«
»Wir werden es finden«, sagte ich. »Müssen wir weit fahren?«
»Nein, das nicht. Aber das Gelände ist karg.« Er schaute aus dem kleinen Fenster der Sakristei. »Außerdem wird es bald dunkel. Da werden Sie sich leicht verfahren können.«
»Wollen sie mit?« fragte Suko.
»Nein, ich nicht, wo denken Sie hin?« Seine Stimme klang, als wäre er beinahe beleidigt. »Außerdem muß ich die Abendmesse halten.« Er schüttelte sich. »Mich kriegen Sie nicht in dieses Schattenschloß; das hat aber
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