0887 - Das Horror-Pendel
Pfarrer gehörte zur jüngeren Generation. Zu unserer Überraschung sprach er fast fließend Englisch. Er bat uns, auf den dunklen Stühlen Platz zu nehmen und fragte, ob wir einen Wein trinken wollten.
Ich stimmte zu, der Abbé ebenfalls, nur Suko lehnte ab. Der Pfarrer stand auf. Aus einem Schrank holte er Tonbecher und eine fast noch volle Flasche Rose.
Er schenkte ein. Ich beobachtete ihn dabei. Der Pfarrer war ein schlanker Mensch, hatte pechschwarzes Haar und dichte Brauen.
Darunter lagen zwei Augen, die uns prüfend, aber mit einer gewissen Freundlichkeit anschauten.
Er verteilte die Becher, und wir prosteten uns zu.
Mir schmeckte der kühle Wein gut, auch der Abbé nickte, dann aber kam er zum Thema und berichtete davon, weshalb uns der Weg in diesen einsamen Bergort geführt hatte…
***
Husch – schwapp! Husch – schwapp!
Heinz Hollmann kannte die Geräusche. Er lag da, schaute und litt, als sich das mörderische Pendel immer wieder von einer Seite zur anderen bewegte und nach jedem Schwung erneut an Höhe verlor und sich immer mehr auf ihn zusenkte.
Hollmann wußte nicht, was er unternehmen sollte. Er konnte sich aus eigener Kraft nicht befreien. Er war ein Gefangener. Er war dem Kuttenträger auf Gedeih und Verderb ausgeliefert und konnte sich keinen Grund vorstellen, das das Pendel stoppte.
Es würde schwingend tiefer und tiefer sinken, bis es dann mit seiner höllisch scharfen Außenkante allmählich seine Brust erst einschnitt und dann durchtrennte.
Es würde ihn zerstören, teilen…
Wenn er daran dachte, drehte er durch, aber das wollte er auch nicht. Er hatte sich vorgenommen, nicht zu schreien. Und vielleicht gab es für ihn auch noch eine Rettung, denn was hier ablief, das durfte einfach nicht wahr sein.
Das… das … war unmöglich. Das war eine reine Fiktion. So etwas gab es in Büchern oder in Filmen, aber doch nicht in der Wirklichkeit. Heinz Hollmann versuchte, sich immer wieder einzureden, hier einen Alptraum zu erleben, aber es hatte keinen Sinn, es stimmte nicht, das war kein böser Traum, kein Alptraum, er erlebte diesen Horror in der Wirklichkeit und gnadenlos.
Husch… schwapp …
Wieder war das Pendel gesackt. Der Schatten des Mordinstruments war deutlicher zu erkennen. Er bewegte sich ebenfalls über den Körper des Liegenden hinweg, als wollte er noch für einen zusätzlichen Horror sorgen. Hollmann wußte nicht, ob ihm kalt oder warm war. Mal schoß die Hitze in ihm hoch, dann wiederum fror er von den Haaren – bis hin zu den Zehenspitzen, was das Pendel nicht störte, es ließ sich auf seinem Weg in die Tiefe nicht aufhalten.
Es hing an einer starren Stange aus Metall, die unter der Decke sicherlich eingerastet war, aber auf dem Weg nach unten immer wieder aus einer Öffnung hervorglitt, so daß der tödliche Halbmond aus Stein weitersinken konnte.
Wie lange noch? Wie lange läßt man mich noch leben? Diese gedanklichen Fragen schrillten wie Schreie durch seinen Kopf, und Heinz Hollmann erlebte zum erstenmal überhaupt, was es heißt, Todesangst zu haben. Er hatte das Gefühl, sich übergeben und sich gleichzeitig in die Hose machen zu müssen. Es gab keine Realität mehr für ihn. In seinem Kopf war alles durcheinander geraten. Er konnte einfach nicht mehr begreifen, daß er dicht vor der Schwelle zum Jenseits stand.
Er würde nicht schnell sterben, sondern langsam, sehr langsam, unter der Folter der Schmerzen leidend, wenn das scharfe Ende ihn durchsägte.
Längst hatte er aufgegeben, darüber nachzudenken, wie es möglich gewesen war, in eine derartige Lage zu geraten. Die Vergangenheit, auch wenn sie so nahe war, kam ihm plötzlich weit, sehr weit entfernt vor, und wenn er sich an sie erinnerte, dann verschwamm sie plötzlich vor seinen Augen zu einem farblosen Brei.
Befreien? Konnte er sich befreien?
Hollmann hatte es versucht. Er hatte seine Hände so schmal wie möglich gemacht und an diesen verdammten Klammern gezerrt. Er hatte auch versucht, die Hände durch die Öffnung zu zerren.
Nichts, gar nichts war ihm gelungen, abgesehen von einer eingerissenen blutigen Haut. Die eisernen Klammern hielten ihn fest.
Keine Chance!
Seine Beine konnte er bewegen, die Füße waren nicht gefesselt.
Ebenso wie der Oberkörper. Aber was brachte es ihm? Nichts, denn er hatte es immer und immer wieder versucht, sich halb gedreht, dabei die Beine angezogen, um eine Position einzunehmen, was ihm auch gelungen war. Nur hätte er auch dann dem grausamen Pendel nicht
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