0888 - Angriff auf die Vampirstadt
zurückweisen.
»Aber ich glaube, ich weiß jetzt, wie wir Zamorra helfen können«, fuhr Fu Long fort. »Ich werde ihm sein vollständiges Gedächtnis zurückgeben.«
»Warte mal«, sagte Nicole irritiert. »Ich dachte, seine Erinnerungen an Choquai hätten die Vermischung der Welten damals überhaupt erst ausgelöst. Ist dein Plan da nicht vielleicht ein kleines bisschen riskant?«
Fu Long schüttelte den Kopf. »Wahrscheinlich nicht.«
»Was bitte schön meinst du mit wahrscheinlich?«
»Damals handelte es sich um unkontrollierte Erinnerungsschübe an ein Leben, das Zamorra zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht gelebt hatte. Es war dieses Paradoxon, das die massive Realitätskrise vor vier Jahren ausgelöst hat«, erklärte der chinesische Vampir ruhig. »Diesmal ist es anders. Zamorra war in Choquai, er weiß nur nichts mehr darüber. In seinem Inneren schlummert seitdem diese andere Persönlichkeit, und das droht ihn jetzt zu zerreißen. Wenn wir den Einfluss des Hong Shi zurückzudrängen können, müsste es gelingen, Zamorra die Erinnerungen an sein Leben als Tsa Mo Ra zurückzugeben, ohne seine eigentliche Persönlichkeit dabei zu zerstören.«
»Müsste?«
»Eine Garantie gibt es nicht«, sagte Fu Long. »Aber es ist unsere einzige Chance. Es tut mir Leid, dass sich die Blockade letztlich als Danaergeschenk erwiesen hat, aber ich wollte Zamorra nur schützen. Er sollte sich nicht daran erinnern, zehn Jahre lang der Vertraute eines Götterdämons gewesen zu sein.«
»Ich weiß«, sagte Nicole leise. Dann nahm sie all ihren Mut zusammen, um die Frage zu stellen, die ihr schon lange auf der Seele brannte. Aber die Worte kamen ihr nur stockend über die Lippen. »Hat er…, ich meine ist er als Hofzauberer…«
Der Vampir schüttelte den Kopf. »Soweit ich weiß, hat er auch als Tsa Mo Ra nie etwas getan, wofür er sich schämen müsste. Im Gegenteil, er galt als weiser Mann und Wohltäter, und als er sein Gedächtnis zurückerlangte, wandte er sich sofort gegen seinen alten Herrn und führte die Rebellion der menschlichen Sklaven an.«
Die Dämonenjägerin seufzte erleichtert. Eigentlich hatte sie nichts anderes erwartet. Andererseits besaß jeder Mensch dunkle Seiten, die unter entsprechenden Umständen zum Vorschein kommen konnten - auch Zamorra, das hatte das Buch der 13 Siegel nur allzu deutlich bewiesen.
Sie schwiegen eine Weile, dann fragte Nicole: »Er wird sich also an alles erinnern?«
Fu Long nickte.
»Auch an Shao Yu?«
Der Vampir sah sie scharf an. »Was weißt du darüber?«
»Wissen? Nichts!« Nicole lachte bitter. »Aber es gab immer wieder Momente, in denen deine Blockade durchlässig wurde und er sich bruchstückhaft erinnerte. An eine Zeit, in der offensichtlich nicht ich die große Liebe seines Lebens war.«
»Nicole, Shao Yu ist lange tot.«
»Über 2000 Jahre, ich weiß…«
»Ja, aber auch für Tsa Mo Ra. Sie liebte den Mann, der er damals war. Aber sie war auch von Ehrgeiz zerfressen, sodass sie irgendwann einen Anschlag auf seinen Widersacher Wu Huan-Tiao unternahm. Tsa Mo Ra stellte sich gegen sie und sie wurde von Kuang-shi zum Tode verurteilt.«
»Immerhin ist seine Erinnerung an sie so stark, dass sie selbst deine Blockade durchbricht…«
»Aber es ist dennoch nur eine Erinnerung. Du bist real, Nicole. Und sobald er sich damals wieder an sein wahres Ich erinnern konnte, gab es für ihn nur noch dich. Vergiss das nicht.«
Die Französin lächelte schwach. »Ich versuche es.«
***
Rot glühende Augen starrten Zamorra an. Sie schienen ihn regelrecht zu durchbohren und selbst die in den tiefsten Schichten seines Bewusstseins verborgenen Geheimnisse aufzuspüren. Diese Augen hatten alles gesehen, was die Welt an Wundern und Schrecknissen zu bieten hatte, in ihnen spiegelten sich der lodernde Zorn der Hölle und die eisige Kälte des Weltalls wider.
Kuang-shi trug eine schlichte Robe aus roter Seide. Der Kopf war schmaler als der eines Menschen und wie der restliche Körper komplett mit weißem Fell bedeckt. Die gelblichen, spiralförmig gedrehten Fingernägel waren über einen Meter lang, und zwei riesige Fangzähne ragten wie bei einem Säbelzahntiger über die Unterlippe.
Durch seine geringe Größe wirkte Kuang-shi wie eine seltsame Mischung aus einem Greis und einem Kind. Doch die unheilvolle Aura des Götterdämons war so mächtig, dass Zamorra nur mit Mühe gegen die Welle der Übelkeit ankämpfen konnte, die ihn zu überrollen drohte.
Wie oft war er hier
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