0896 - Das Psychonauten-Kind
kürzester Zeit in eine regelrechte Hölle. Es war vorbei mit dem Frieden und der Ruhe, denn nun zählte nur die Gewalt.
Scheibenstücke wirbelten uns entgegen. Ich bekam dies alles mit wie in einem Film, während ich mich duckte, um dieser gefährlichen Ladung zu entwischen.
Rechts von mir beugte sich Suko. Er hatte die Arme hochgerissen, um wenigstens einen Teil der Scheibe abwehren zu können, wenn die scharfen Splitter gegen ihn wirbelten.
So gut hatte es McClusky nicht. Er hockte völlig konsterniert in seinem Bett und zudem in der Flugbahn dieser verdammten Splitter. Er brüllte auf, als ihm ein langes Glasstück das linke Ohr abriß. Blut sprudelte aus der Wunde und benetzte das Laken.
Aber nicht nur das Glas flog in den Raum. Mit ihm kam die Bestie. Ein Hund, eine Waffe auf vier Beinen. Ein Riesentier, ein regelrechter Killer, der es tatsächlich mit einem Sprung schaffte, sich auf das Bett zu werfen.
Sein mächtiger Körper drückte McClusky auf das Bett, dann zur Seite, und beide rollten über die Kante. Sie fielen zu Boden. Ich hörte ein schreckliches Geräusch, konnte aber nicht erkennen, was da geschehen war, denn das Bett nahm mir die Sicht.
Suko wieselte hinter meinem Rücken her, er wollte dem Hund den Weg zur Tür abschneiden. Das Tier kam wieder hoch, er schaute über die Bettkante hinweg.
Ich sah die blutige Schnauze, und ebenso wie Suko wußte ich, was dort auf dem Boden geschehen war.
Wir schossen zugleich, und wir hatten Glück, daß sich der Hund nicht bewegte und sich zunächst neu orientieren mußte. Beide Kugeln hieben in seinen Kopf.
Er stieß einen beinahe menschlichen Schrei aus. Sein mächtiger Leib zuckte, er schlug mit den Beinen um sich, und plötzlich kippte sein Körper zur Seite.
»Mein Gott«, flüsterte Suko nur. »Mein Gott…«
Ich wußte, daß wir uns jetzt nicht ausruhen konnten. Während Suko nach dem neben dem Bett liegenden Killer und dem Hund schaute, traf mein Blick das zerstörte Fenster, durch das die kühle Luft hereinströmte. Die schmutzigen Scheibenreste verteilten sich auf dem Boden. Sie bildeten glatte Fallen auf dem Weg zum Fenster, an dessen unterem Rand plötzlich ein Gesicht erschien.
Das Gesicht eines blonden Jungen.
Das war er, das mußte er sein.
Die Zeit war wohl für uns beide eingefroren, als wir uns anschauten. Sekunden nur, mehr nicht, aber in dieser Spanne bekam ich bewiesen, wen ich vor mir hatte.
Für einen Moment leuchtete auf der Stirn des Jungen ein drittes Auge auf. Nicht sehr intensiv, aber durchaus zu erkennen. Bevor ich da noch nachhaken konnte, verschwand das Bild wieder - und der Junge gleich mit. Ich hörte noch seinen wilden, schmerzerfüllten Schrei, danach hastige Schritte, dann war er verschwunden.
Ich rannte zum Fenster, mußte achtgeben, auf dem Glas nicht auszurutschen, und schrie Suko zu, daß er sich um den Killer kümmern sollte.
Ich wollte hinter dem Jungen her…
***
Suko sah seinen Freund John durch das Fenster klettern. Erst dann hatte er die nötige Zeit, sich das anzusehen, was vor seinen Füßen lag.
Zwei Tote?
Der Hund war tot. Die beiden Kopftreffer hatten sein Leben ausgelöscht. Allerdings zu spät, denn er war noch dazu gekommen, den Killer mit einem Biß zu töten. Er hatte ihn am Hals erwischt! Gil McClusky lebte nicht mehr, und Suko schloß für einen Moment die Augen. Er und John hatten versagt. Sie waren nicht schnell genug gewesen.
Jemand rammte die Tür auf.
Es war die dicke Frau von der Anmeldung. Sie quetschte sich in den Raum, hochrot im Gesicht, als wollte sie ein gewaltiges Donnerwetter loslassen, und die Worte erstickten in ihrer Kehle, als sie sah, was da geschehen war.
Zwei Tote.
Ein Mensch und ein Hund.
»Neiinn«, röchelte sie. »Das ist doch nicht möglich. Das kann nicht wahr sein…«
»Gehen Sie wieder.«
»Ich hole die Bullen!« kreischte die Person völlig außer sich.
»Das ist nicht nötig«, erklärte Suko, »die Polizei ist bereits hier.«
Die Frau verstand. »Sie?«
»Ja.«
»Scheiße auch.« Dann drehte sie sich um, wollte gehen, stieß aber noch auf der Schwelle mit zwei Polizisten zusammen, die plötzlich erschienen waren. Es mußten die beiden Beamten gewesen sein, die Captain Miller als Bewacher zurückgelassen hatte. Auch sie hatten nicht mehr eingreifen und die Tat verhindern können.
Suko wies sich aus und erklärte ihnen in wenigen Worten, was da angelaufen war.
»Sind denn beide wirklich tot?« fragte er.
»Ja, Sie können sie abholen
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