0899 - Gejagt von Lucy, dem Ghoul
leises Schnarren und Kratzen, das er sich bestimmt nicht einbildete.
Bill ließ das Feuerzeug rasch verschwinden. Er wollte sich durch nichts ablenken lassen, denn dieses neue Geräusch würde für ihn sehr wichtig werden.
Er wartete.
Den Kopf hatte er in den Nacken gelegt und hielt den Blick nach oben gerichtet. Obwohl er noch nichts sah, hielt er die Augen weit offen und hatte sich sicherheitshalber ein paar Schritte zurückbewegt und mit dem Rücken gegen die Wand gelehnt.
Warten, die Schmerzen vergessen, dafür wuchs die Spannung in seinem Innern.
Bill wußte nicht, wer oder was ihn erwartete. Er machte sich schon seine Gedanken, die sich natürlich um die drei Gestalten drehten, die ihn überwältigt hatten.
Sie würden ihn auch holen…
Und dann? Was geschah dann?
Seine Gedanken wurden durch das wiederholte Knirschen an der Decke unterbrochen. Bill konnte nichts sehen, aber er hatte den Eindruck, als würde sich dort etwas bewegen. Es war eine Ahnung, die ihn befallen hatte. Er richtete seinen Blick in die Höhe, schmeckte Staub und sah plötzlich einen hellen Lichtstreifen durch einen breiten Spalt fallen.
Dann tauchte das Gesicht einer Frau in dem Spalt auf!
***
Ich war in das kleine Gästebad gegangen und wusch mir dort das Blut von den Händen. Beinahe versonnen schaute ich dem rosig gefärbten Wasser nach, das gurgelnd im Ausfluß verschwand und sich dabei drehte. Es war nicht mein Blut, das ich wusch, sondern das Blut des Mannes, der angeschossen im Wagen gesessen hatte. Wir hatten ihn ins Haus geschafft, wollten ihm helfen, doch er wollte weder einen Arzt noch die Polizei sehen.
Er hieß Percy Goldman, den Namen hatte er uns wenigstens gesagt.
Weder Shao noch ich hatten diesen Namen jemals gehört.
Wahrscheinlich kannte ihn Bill, aber so weit waren wir noch nicht.
Während ich mir die Hände abtrocknete, dachte ich darüber nach, daß Goldman auf jeden Fall in die Hände eines Arztes gelangen mußte, denn eine Kugel in die Schulter war gefährlich. Das Blei mußte herausoperiert werden, es durfte nicht zu einem Wundbrand kommen, und leichtes Fieber schien der Verletzte schon zu haben.
Als meine Hände trocken waren, ging ich zu einem der Gästezimmer des Hauses.
Sheila hatte überall das Licht eingeschaltet, auch die Außenleuchten brannten. Sie erklärte mir, daß sie sich so wohler fühlte, was ich verstehen konnte.
Ich befand mich bereits im Keller und brauchte nur zwei Türen weiter zu gehen.
Als ich den Raum betrat, trank der Mann soeben Wasser. Sheila saß neben dem Bett auf einem Stuhl, sie war unruhig, auch wenn sie sich äußerlich kaum bewegte. Ihr Blick aber sagte etwas anderes. Sie hatte Goldman eine Schlinge angelegt, damit der Arm ruhig gestellt würde.
Der Verletzte trug noch immer seine Stoffmütze. Das Gesicht wirkte eingefallen, der dunkle Bart umgab das Kinn wie Gestrüpp. Die Augen glänzten fiebrig, und wir hatte auch seine schußsichere Weste gesehen und die Delle darin, genau in Herzhöhe. Diese Kugel hätte Percy Goldman sofort getötet.
Sheila nahm ihm das leere Glas ab. Ich holte einen zweiten Stuhl und setzte mich ebenfalls.
»Hat er schon etwas gesagt?« fragte ich Sheila.
»Nein, kaum.«
Ich schaute Goldman an. Er machte auf mich einen erschöpften Eindruck. Sein Gesicht war mehr als blaß, und Schweißperlen verteilten sich dort wie kleine Tropfen.
»Können Sie sprechen?« fragte ich ihn.
Goldman wartete einen Moment, bevor er mir den Kopf zudrehte. »Es muß ja gehen«, flüsterte er. »Ich habe es so gewollt. Ich bin extra zu Bill Conolly gefahren, um mit ihm…« Seine Stimme sackte ab. »Ich kenne Bill, aber nicht Sie.«
»Ich bin ein Freund.«
»Ach ja…«
»Mein Name ist John Sinclair.«
Der Mann schloß für einen Moment die Augen. »Verdammt, der Bulle, der Freund, der Geisterjäger!« brach es aus ihm hervor. »Ich wollte doch keine Polizei.«
Er erhielt von mir die entsprechende Antwort. »Wenn Sie mich schon kennen, werden Sie auch wissen, daß ich zwar Polizist bin, mich aber um bestimmte Fälle kümmere und weder etwas mit der Mordkommission noch mit der Metropolitan Police zu tun habe.«
Goldman öffnete wieder die Augen. Sein Mund war verzerrt, sicherlich wegen der Schmerzen in seiner Schulter. »Ja, ich weiß, aber trotzdem, Mister.«
»Hier geht es nicht um Sie und schon gar nicht um mich, sondern um Bill Conolly!« machte ich ihm klar. »Sie, Mr. Goldman, sind es gewesen, der zu diesem Haus fuhr. Also wollten Sie hier auch
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