09 - Denn sie betrügt man nicht
Barbara. Der Typ Frau, nach dem Männer sich umdrehen. Und in ihrer Tracht - hier, in dieser Kleinstadt, wo man Frauen in Sahlahs Aufmachung selten allein sah - wäre sie ganz sicher aufgefallen.
»Dann muß sie hiergewesen sein, nachdem wir schon weg waren«, sagte DeVitt. »Können wir sonst noch was für Sie tun?«
Barbara verneinte, aber sie reichte dem Mann auf jeden Fall eine ihrer Karten, nachdem sie den Namen des Burnt House Hotels auf die Rückseite geschrieben hatte. Sollte ihm irgend etwas einfallen, sollte einem von ihnen irgend etwas einfallen ...
»Scheint ja eine wichtige Sache zu sein«, meinte DeVitt neugierig. »Hat es vielleicht - ich meine, da Sie eine Pakistani suchen, hat es vielleicht mit dem Mann zu tun, der kürzlich umgekommen ist?«
Sie überprüfe lediglich einige Tatsachen, antwortete Barbara. Mehr könne sie ihnen im Moment nicht sagen. Wenn ihnen aber irgend etwas, was mit dem Zwischenfall zu tun haben könnte, einfallen sollte ...
»Glaub' ich kaum«, meinte DeVitt, als er die Karte in die Gesäßtasche seiner Jeans schob. »Wir gehen den Pakistanis aus dem Weg. Das ist das einfachste.«
»Wie meinen Sie das?«
Er zuckte die Achseln. »Na ja, die haben ihre Art, und wir haben unsere. Wenn man das vermischen will, gibt's nur Ärger. Leute wie wir« - er wies mit einer umfassenden Geste auf seine Mitarbeiter - »brauchen keinen Ärger. Wir arbeiten hart, trinken hinterher vielleicht noch einen und gehen dann nach Hause, damit wir am nächsten Tag fit sind.« Er nahm seinen Kopfschutz und seinen Schweißbrenner. »Aber wenn die Frau, nach der Sie suchen, hier war, sollten Sie auf jeden Fall mit den anderen Leuten hier auf dem Pier reden. Vielleicht hat einer von ihnen sie gesehen.«
Das würde sie tun, sagte Barbara, bedankte sich und suchte sich ihren Weg hinaus. Fehlanzeige, dachte sie. Aber DeVitt hatte recht. Die Buden und Karussells auf dem Pier waren von morgens bis spätabends geöffnet. Wenn Sahlah Malik nicht in einem Boot zum Ende des Piers gefahren oder gar hinausgeschwommen und dann hinaufgeklettert war, um das Armband mit dramatischer Geste von oben ins Meer zu werfen, hatte sie an all den Schaustellern vorbeigehen müssen.
Es war eine mühselige Plackerei, die Art Befragung, die Barbara immer gehaßt hatte. Doch sie arbeitete sich, bei einem Karussell namens Walzerbahn beginnend, tapfer und verbissen von Stand zu Stand, bis zu einer Frittenbude am Schluß. Auf der Landseite war der Pier überdacht; eine Plexiglaskonstruktion wölbte sich über der Spielhalle und den Kinderkarussells. Hier war es so laut, daß Barbara schreien mußte, um sich Gehör zu verschaffen. Aber niemand konnte Sahlah Maliks Geschichte bestätigen, nicht einmal Rosalie, die Handleserin, die in farbenprächtige Schals gehüllt auf einem dreibeinigen Hocker vor ihrer Höhle saß, schwitzte und rauchte und sich mit einem Pappteller Kühlung zufächelte, während sie mit Argusaugen nach Kundschaft Ausschau hielt. Wenn überhaupt jemand Sahlah Malik gesehen hatte, dann sie. Aber sie hatte sie nicht gesehen. Sie bot Barbara jedoch eine Lesung an, aus der Hand oder mit Tarotkarten. »Sie sollten's mal versuchen, Kindchen«, sagte sie mit freundlicher Teilnahme. »Sie könnten's gebrauchen. Glauben Sie mir. Rosalie weiß so was.«
Barbara lehnte dankend ab. Wenn die Zukunft ebenso reizend sei wie die Vergangenheit, sagte sie, würde sie sich lieber überraschen lassen.
Bei Jack Willies Fisch- und Meeresfrüchtestand kaufte sie sich ein Körbchen fritierte Sprotten, etwas, was sie seit Jahren nicht mehr gegessen hatte. Sie wurden angemessen fetttriefend und mit einem kleinen Töpfchen Remouladensoße serviert. Barbara setzte sich auf eine der knallig orangefarbenen Bänke im Freien und mampfte mit Appetit, während sie über die Situation nachdachte.
Bisher hatte sie niemanden gefunden, der Sahlah Malik auf dem Pier gesehen hatte; es gab daher drei Möglichkeiten. Die erste war am ehesten dazu geeignet, Verwirrung zu stiften: Sahlah Malik log. Wenn das zutraf, mußte Barbara als nächstes festzustellen versuchen, warum. Die zweite Möglichkeit war die am wenigsten plausible: Sahlah sagte die Wahrheit, obwohl niemand sich erinnern konnte, sie auf dem Pier gesehen zu haben. Barbara hatte auf ihrem Gang über den Pier festgestellt, daß die Besucher hier bevorzugt in schwarzem Leder auftraten - trotz der Hitze. Wenn also Sahlah nicht inkognito auf den Pier gekommen war - und das war Möglichkeit Nummer
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