09 - Denn sie betrügt man nicht
sie -«
»Großmutter!« Theos hellhäutiges Gesicht lief rot an. »Die Pakistanis sind ebenso reinliche Menschen wie wir, und selbst wenn sie es nicht wären - es geht hier doch nicht um Hygiene.«
»Dann sag mir doch, worum es geht.«
Er nahm wieder seinen Platz ihr gegenüber ein. Die Teetasse rutschte klirrend auf der Untertasse herum. Sie hätte am liebsten laut geschrien. Wann würde er endlich lernen, sich wie ein Shaw zu benehmen?
»Dieser Mann - er hieß Haytham Querashi -«
»Das weiß ich«, fuhr sie ihn ungeduldig an.
Er zog eine Augenbraue hoch. »Ach!« Bedächtig stellte er die Teetasse auf den Tisch und hielt, statt seine Großmutter anzusehen, seine Aufmerksamkeit auf die Tasse gerichtet, als er zu sprechen fortfuhr. »Dann weißt du wahrscheinlich auch, daß er nächste Woche Akram Maliks Tochter hätte heiraten sollen. Offensichtlich ist die pakistanische Gemeinde der Überzeugung, daß die Polizei die Ermittlungen über Querashis Tod verschleppt. Sie nahmen die Stadtratssitzung zum Anlaß, um ihre Beschwerden vorzubringen. Mit Akram sind sie besonders hart umgesprungen. Er hat versucht, sie zur Ordnung zu rufen. Sie haben ihn einfach niedergebrüllt. Das Ganze war ziemlich beschämend für ihn. Danach konnte ich doch nicht gleich eine neue Sitzung fordern. Das wäre taktlos gewesen.«
Trotz ihres Ärgers über die Vereitelung ihrer Pläne verspürte Agatha eine gewisse Schadenfreude bei dieser Neuigkeit. Abgesehen davon, daß sie es dem Mann äußerst übelgenommen hatte, mit welcher Rücksichtslosigkeit er sich in ihr ganz persönliches Projekt - die Erneuerung Balfords - hineingedrängt hatte, hatte sie Akram Malik nie verziehen, daß er ihren Sitz im Stadtrat übernommen hatte. Er war nicht direkt gegen sie angetreten, aber er hatte die Berufung nicht abgelehnt, als man jemanden brauchte, der ihren verwaisten Platz einnehmen sollte, bis eine Nachwahl abgehalten werden konnte. Und als die Nachwahl dann angesetzt worden war und sie selbst wegen ihrer Krankheit nicht um ihren Sitz hatte kämpfen können, hatte Malik sich als Kandidat aufstellen lassen und einen Wahlkampf geführt, als gälte es, einen Sitz im Unterhaus zu erobern. Geschah dem Mann recht, daß er von seinen eigenen Anhängern gedemütigt worden war.
Sie sagte: »Das muß dem alten Akram ganz schön gestunken haben, daß seine hochgelobten Pakis ihn in aller Öffentlichkeit zum Narren gemacht haben. Wie schade, daß ich nicht dabei war.«
Sie sah, wie Theo zusammenzuckte. Ein Wunder, daß er nicht gleich in Tränen ausbrach. Immer tat er so mitleidig. »Jetzt erzähl mir nur nicht, daß du das nicht genauso siehst, Freundchen. Letztendlich bist du ein Shaw, das kannst du nicht leugnen. Wir haben unsere Art, und diese Leute haben ihre, und es wäre besser um die Welt bestellt, wenn jeder da bliebe, wo er hingehört.« Sie klopfte mit harten Knöcheln auf den Tisch, um seine Aufmerksamkeit zu gewinnen. »Versuch nicht, mir zu widersprechen. Du hast doch selbst mehr als einen Zusammenstoß mit farbigen Jungen gehabt, als du noch in der Schule warst.«
»Großmutter ...« Was war das für ein Ton in Theos Stimme? Ungeduld? Beschwichtigung? Herablassung? Agatha musterte ihren Enkel mit zusammengekniffenen Augen.
»Was?« fragte sie.
Er antwortete nicht gleich. Zerstreut strich er mit einem Finger um den Rand seiner Tasse, offenbar tief in Gedanken. »Das ist noch nicht alles«, sagte er dann. »Ich bin kurz am Pier vorbeigefahren. Nach dem Tumult bei der Sitzung wollte ich dort für alle Fälle nach dem Rechten sehen. Das ist übrigens der Grund, weshalb ich mich verspätet habe.«
»Und?«
»Es war gut, daß ich vorbeigefahren bin. Draußen, vor einer der Spielhallen, haben sich fünf junge Kerle geprügelt.«
»Na, ich hoffe, du hast ihnen richtig Beine gemacht. Wenn der Pier als ein Ort in Verruf gerät, wo einheimische Rowdys die Touristen belästigen, können wir unsere Sanierungspläne vergessen.«
»Es waren keine Rowdys«, versetzte Theo. »Und auch keine Touristen.«
»Wer dann?« Sie begann schon wieder in Erregung zu geraten. In ihren Ohren war ein ominöses Brausen. Wenn ihr Blutdruck wieder anstieg, würde sie bei ihrem nächsten Arztbesuch einiges zu hören bekommen. Und zweifellos weitere sechs Monate unerträgliche Zwangsschonung verschrieben bekommen.
»Es waren Teenager«, sagte er. »Junge Leute aus dem Ort. Asiaten und Engländer. Zwei von ihnen hatten Messer.«
»Genau davon rede ich. Wenn die
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