09 Der Sohn des Greifen (alte Übersetzung)
also so eine Art Braunapfel-Fossoway, wie ich die Sache sehe.« Flowers winkte sie durch das Tor. »Kommt mit. Strickland hat alle Offiziere in seinem Zelt zusammengerufen. Kriegsrat. Die verfluchten Volantener rasseln mit den Speeren und wollen wissen, was wir vorhaben.«
Die Männer der Goldenen Kompanie würfelten und tranken vor ihren Zelten oder vertrieben die Fliegen. Greif fragte sich, wie viele von den Söldnern wohl wussten, wer er war. Wenig genug. Zwölf Jahre sind eine lange Zeit. Selbst die Männer, mit denen er damals geritten war, würden den verbannten Lord Jon Connington mit dem feuerroten Bart wahrscheinlich nicht in dem faltigen, glatt rasierten Kerl mit dem blau gefärbten Haar erkennen, als welcher sich Greif, der Söldner, präsentierte. Soweit die meisten wussten, hatte sich Connington in Lys zu Tode gesoffen, nachdem man ihn mit Schimpf und Schande aus der Kompanie geworfen hatte, weil er sich aus der Kriegskasse bedient hatte. Die Schande dieser Lüge lastete ihm noch immer schwer auf der Seele, doch Varys hatte darauf bestanden. »Wir wollen doch keine Lieder über den edlen Verbannten«, hatte der Eunuch kichernd in seinem affektierten Tonfall gesagt. »Wer den Heldentod stirbt, bleibt ewig in Erinnerung, Diebe, Säufer und Feiglinge sind hingegen bald vergessen.«
Was versteht ein Eunuch schon von der Ehre eines Mannes? Greif hatte um des Jungen willen an den Plan des Eunuchen gehalten, aber deshalb hatte er sich trotzdem nicht mit der Lüge angefreundet. Wenn ich lange genug lebe, um den Jungen auf den Eisernen Thron zu setzen, wird Varys für diese Beleidigung zahlen, und für vieles andere mehr. Dann werden wir sehen, wer bald in Vergessenheit gerät.
Das Zelt des Generalhauptmanns war aus Goldtuch und von einem Ring aus Piken umgeben, auf denen vergoldete Schädel prangten. Ein Schädel war größer als die übrigen und grotesk missgestaltet. Darunter steckte ein zweiter, kaum größer als eine Kinderfaust. Maelys der Abscheuliche und sein namenloser Bruder. Die anderen Schädel waren einander sehr ähnlich, manche allerdings hatten Risse oder waren gespalten worden, von den Hieben, die ihre Besitzer getötet hatten, und einer wies spitz gefeilte Zähne auf. »Welcher gehört Myles?«, fragte Greif unwillkürlich.
»Der da. Am Ende.« Flowers zeigte darauf. »Wartet. Ich werde Euch ankündigen.« Er trat ins Zelt und ließ Greif Zeit, sich den vergoldeten Schädel seines alten Freundes anzuschauen. Im Leben war Ser Myles Toyne so hässlich wie die Sünde gewesen. Sein berühmter Vorfahre, der dunkle, hübsche Terrence Toyn, über den die Sänger ihre Lieder sangen, war so schön gewesen, dass ihm selbst die Mätresse des Königs nicht widerstehen konnte, aber Myles hatte Segelohren und ein schiefes Kinn gehabt, und dazu die größte Nase, die Jon Connington je gesehen hatte. Wenn er einen jedoch angelächelt hatte, hatte das alles keine Rolle mehr gespielt. »Schwarzherz« hatten ihn seine Männer genannt, wegen des Wappens auf seinem Schild. Myles hatte den Namen und alles, worauf er hindeutete, geliebt. »Ein Generalhauptmann sollte gefürchtet werden, und zwar von Freunden und Feinden gleichermaßen«, hatte er einmal ganz offen zugegeben. »Wenn die Männer mich für grausam halten, umso besser.« Mit der Wahrheit hatte das wenig gemein gehabt. Toyn war durch und durch Soldat gewesen, grimmig, aber gerecht, ein Vater für seine Männer und stets großzügig gegenüber dem verbannten Lord Jon Connington.
Der Tod hatte ihn seiner Ohren, seiner Nase und seiner Herzlichkeit beraubt. Das Lächeln blieb, hatte sich allerdings in ein glänzendes goldenes Grinsen verwandelt. Sie grinsten alle, sogar Bitterstahls Schädel auf der hohen Pike in der Mitte. Worüber grinst denn der? Er starb besiegt und einsam, ein gebrochener Mann in einem fremden Land. Auf dem Totenbett hatte Ser Aegor Rivers den berühmten Befehl erteilt, das Fleisch von seinem Schädel zu kochen, ihn in Gold zu tauchen und vor der Kompanie herzutragen, wenn sie das Meer überquerten, um Westeros zurückzuerobern. Seine Nachfolger waren seinem Beispiel gefolgt.
Jon Connington hätte einer dieser Nachfolger werden können, wenn seine Verbannung anders verlaufen wäre. Er hatte fünf Jahre in der Kompanie verbracht und war immer weiter aufgestiegen, bis er den Ehrenplatz zur Rechten Toyns eingenommen hatte. Wäre er geblieben, hätten sich die Männer nach Myles Tod vielleicht für ihn entschieden anstatt für Harry
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